In dem 1985er-Film Zum Teufel mit den Kohlen, in dem der von Richard Pryor gespielte Charakter Monty Brewster dreihundert Millionen Dollar erbt, wenn er innerhalb von dreißig Tagen dreißig Millionen Dollar verprasst, startet der Held eine Wahlkampagne, um Geld zu verschwenden. Der Slogan seines Wahlkampfes ist: »Keinen von da oben!« Dieser Wahlspruch des rebellischen Underdogs könnte auch der Leitspruch von Richard Pryor sein.
Geboren am 1. Dezember 1940 in Peoria, Illinois, als unehelicher Sohn einer Prostituierten und ihres Zuhälters, wuchs er im Bordell seiner Großmutter auf. Dort musste er seiner Mutter bei der Arbeit zusehen, wurde als Kind vergewaltigt und war tagtäglich von Menschen umgeben, die sich am äußersten Rand des gesellschaftlichen Lebens bewegten.
Nachdem er mit 14 Jahren von der Schule flog, schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, bis er eingezogen wurde und seinen Dienst in Deutschland antrat. Danach ging er Anfang der Sechzigerjahre nach New York, um auf der Bühne in die Fußstapfen seines Vorbilds Bill Cosby zu treten. Er verdiente Geld, hatte Auftritte im Fernsehen, war aber frustriert davon, nur eine Cosby-Kopie zu sein. Diese Einsicht hatte er auf der Bühne. Mitten in einem Auftritt in Las Vegas hielt er inne, sagte: »Was zum Teufel mach' ich hier!« und stapfte von der Bühne.
Als er zurückkam, war er das dunkle Gegenstück zu Bill Cosby. Wie dieser erzählte er keine Witze, sondern Geschichten. Er fing an, die finsteren Gestalten seiner Kindheit zum Bühnenleben zu erwecken, von denen er selber sagte, sie seien alle wunderbare Charaktere gewesen, »wenngleich sie nicht alle gute Menschen waren.« Pryor begann, dem schwarzen Amerika gleich mehrere Stimmen zu verleihen. Aber er lieh seinen Charakteren auch seinen Körper. Er brachte voll ausgereifte Personen auf die Bühne, komplett mit Stimme, Sprachduktus, Mimik, Gestik und Lebensgeschichte. Einer seiner beliebtesten Charaktere und wohl sein Alter Ego war der alte Kneipenphilosoph und Geschichtenerzähler »Mudbone«.
Aber Pryor beließ es nicht dabei, das Leben in den Ghettos und die Sprache der Gosse ins Bewusstsein Amerikas zu rufen. Er verkörperte auch Weiße, Tiere und seine Crackpfeife, der er die Stimme Richard Nixons gab. Er verquickte diese Rollenprosa mit den anderen Genres der Standup-Comedy: Alltagsbeobachtungen, Gesellschaftskritik, Zoten und vor allem Biografisches und füllte damit sein Bühnenprogramm, knapp zwanzig Comedy-Alben und drei Konzertfilme. Außerdem wurde er zum Vorbild für viele nachfolgende Standup-Comedians - unabhängig von Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht. So unterschiedliche KomikerInnen wie Eddie Murphy, Robin Williams, Roseanne und der Brite Eddie Izzard berufen sich auf seinen Einfluss.
Dieser künstlerische und kommerzielle Erfolg öffnete ihm die Türen zu Film und Fernsehen, wo er wiederum Wege für spätere afroamerikanische KünstlerInnen wie Will Smith, Chris Rock, die Wayans-Brüder und Dave Chappelle ebnete. Die inzwischen auf DVD erhältliche Richard Pryor Show war zwar sehr kurzlebig, aber dennoch wegweisend. Er schrieb am Drehbuch zu Mel Brooks Westernparodie Blazing Saddles mit, setzte die Standards für Comedy-Konzertfilme mit Richard Pryor: Live in Concert, RP: Live on Sunset Strip und RP: Here and Now, nahm mit seinen Kollaborationen mit Gene Wilder, wie zum Beispiel Transamerikaexpress, die Buddy-Movies der Achtziger- und Neunzigerjahre vorweg und erhielt die unerhörte Gage von vier Millionen Dollar für Superman III.
Aber dieser Erfolg hatte seine Kehrseite: Drogen- und Alkoholabhängigkeit, Gefängnisaufenthalte, sieben Ehen, Gewaltexzesse, Anzünden im Drogenrausch - nach eigenem Bekunden ein Selbstmordversuch - und 1986 die Diagnose Multiple Sklerose, die ihn dann in den Neunzigerjahren an den Rollstuhl fesselte. All das verarbeitete er schonungslos auf der Bühne und in dem Film JoJo Dancer, Your Life Is Calling (1986), den er auch mitschrieb und inszenierte.
Gegen Ende des Konzertfilms Richard Pryor: Here and Now verkörpert er einen Junkie; und wie er sich da kaum auf seinen Beinen halten kann, wie in Trance wirkt und das Publikum aufhört zu lachen, transzendiert Richard Pryor für einige Momente die Grenzen zwischen Tragik, Komik und bloßer Tragikomik, zwischen Rolle, seiner eigenen Person und Darstellung - man hat das Gefühl, er wäre auf der Bühne vom Geist eines toten Junkies besessen. Wenn man sich diese über zwanzig Jahre alte Aufnahme anschaut, versteht man vielleicht, was er in seiner Dankesrede für den vom Kennedy Center vergebenen Mark-Twain-Preis für Amerikanischen Humor - er war 1998 der erste Preisträger - meinte, als er sagte, dass er wie Mark Twain versucht hätte, Humor zu benutzen, um »den Hass der Menschen zu verringern«.
Richard Pryor starb am 10. Dezember 2005 neun Tage nach seinem 65. Geburtstag an Herzversagen.