Ob man in Filmbesprechungen das Ende verraten darf, ist arg umstritten und wenn es denn so kommt, bringt es die meisten LeserInnen auf die Palme. Bei Michael Hanekes Film Caché stellt sich diese Frage erst gar nicht, denn am Ende wissen die ZuschauerInnen - zumindest was die Frage nach dem »Täter« angeht - genau so wenig wie vor dem Kinobesuch. Dabei könnte der Plot ebenso gut das Setting für einen Horrorfilm nach Schema F sein: Der erfolgreiche Fernsehmoderator Georges Laurent erhält Videobänder, die dokumentieren, dass er und seine Familie beobachtet werden. Hinzu kommen blutrünstige Kinderzeichnungen. Man erwarte aber nicht, dass zum Schluss ein geistesgestörter Killer zum Showdown in das Haus eindringt, bis in letzter Minute die Rettung naht. Der »Horror« von Caché spielt sich an anderer Front ab.
Eine Filmaufnahme seines Elternhauses unter den Videos bringt Georges schließlich auf die Spur des vermeintlichen Beobachters und führt zu dem, was der Titel Caché (Versteckt) schon ankündigt: Er beginnt, die Ereignisse seiner Kindheit und die ominösen Videobänder vor Familie und Freunden zu verbergen und das Misstrauen breitet sich aus. Langsam bröckelt die Fassade der Durchschnittsfamilie, aber was der Film beobachtet, sind keine gut sichtbaren Brüche, sondern kleine Risse. Georges' Versteckspiel kommt einem Schuldeingeständnis gleich und ZuschauerInnen und Familie beginnen sich zu fragen, wer hier eigentlich Täter und wer Opfer ist.
Ebenso wie die ProtagonistInnen müssen die KinobesucherInnen bald zweifeln, welchen Bildern sie noch trauen können, denn Haneke spielt immer wieder geschickt mit dem Film im Film und schneidet zusätzlich Szenen aus Georges' Kindheit dagegen. Ob das Erinnerungen des Moderators sind und wie früh er ahnt, woher der »Angriff« auf seine Wohlstandsfamilie kommen mag, bleibt im Dunkeln.
Wer in diesem Film ein spannendes Psychodrama erwartet, das einen zum ängstlichen Nägelkauen im Kinosessel antreibt, wird enttäuscht werden. Caché schildert minutiös den Einbruch einer unsichtbaren Bedrohung in ein routiniertes Familienleben ohne psychologische Deutungen zu bieten, während die Kamera fast ebenso außen vor zu bleiben scheint, wie die des unbekannten Videofilmers.
Caché. Frankreich/Österreich/Deutschland/Italien 2005. Regie: Michael Haneke. DarstellerInnen: Daniel Auteuil, Juliette Binoche, Maurice Benichou u.a.