Stellen wir uns einmal vor, es gäbe einen Himmel nur für verstorbene DichterInnen, ein Paradies der Schöngeistigkeit und der fruchtbaren Diskurse: Goethe spielte Skat mit den Brüdern Schlegel, Bertolt Brecht und Thomas Mann rauchten zusammen Zigarillos und Else Lasker-Schüler assistierte Stefan George beim »Maniküren« seiner Gedichte.
Nach der Lektüre von Jörg Drews' erheiternder Sammlung Dichter beschimpfen Dichter. Ein Alphabet harter Urteile fällt der Glaube an die DichterInnen-Versöhnung post mortem schwer. In seiner Sammlung hat Drews Auseinandersetzungen der Literaturgeschichte in Zitatschnipseln festgehalten. Schon Gottfried von Straßburg lästerte über die »zusammengewürfelten Worte« Wolframs von Eschenbach. Und auch KollegInnen der nachfolgenden Jahrhunderte fielen übereinander her, beschimpften und bekriegten sich in den heftigsten Tönen. Am häufigsten trifft es den Mann mit der vielleicht größten Fallhöhe: Johann Wolfgang von Goethe. »Göthe hat gewiss poetische Momente, wo er sich für den Heiligen Geist, die Vulpia für die gebenedeite Jungfrau und seinen Jungen für das Christuskind hält«, so Christoph Martin Wieland über den Kollegen. »Leisetreter«, »Fürstendiener«, »Spießer« »Gipsbüstengott«, »großer feierlicher Esel«, »untersetzter Mann ohne Physiognomie« - gehässige Verdikte über den Dichter gibt es in dem knapp 300 Seiten starken Nachschlagewerk zu genüge. Die DichterInnen schenken sich in Sachen Boshaftigkeit nichts, und staunend gewinnt man den Eindruck, dass sie einander nichts gönnen, am wenigsten den Erfolg beim Publikum. Einige unterstützende Reflexionen zum Thema gibt Herausgeber Drews in einem Nachwort. Das Bild vom DichterInnen-Olymp mit friedlicher Koexistenz der verschiedenen ästhetischen Modelle dekonstruiert er überzeugend. Über jeden bekannten Dichter findet sich ein böser Aphorismus. So kann der persönlichen Abneigung gegen den einen oder anderen Autor eloquent Ausdruck verliehen werden: »Er hat uns einen großen Teil der Scheiße eingebrockt, erhabene Scheiße meinetwegen.« Gemeint war Stefan George, und auch der teilt in diesem Buch gewaltig aus.