In Deutschland gilt das »Wunder von Bern«, der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954, vielen Menschen als die eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik. In Ungarn hingegen löste die unerwartete Finalniederlage gegen die BRD tagelange Ausschreitungen enttäuschter FußballanhängerInnen aus. Diese hätten sich zunehmend auch gegen die ungarische Regierung gerichtet, schreibt Britta Lenz in ihrem Beitrag zum Sammelband Überall ist der Ball rund. Das Buch versammelt Texte zum Thema Fußball in Ost- und Südosteuropa, von denen viele zeigen, dass Fußball und Politik enger zusammenhängen als oft angenommen. So deutet Lenz die Ausschreitungen in Ungarn als Vorboten des Aufstands zwei Jahre später: »Sie gaben erste Hinweise auf die zunehmende Unzufriedenheit der ungarischen Bevölkerung mit der politischen Führung und offenbarten das vorhandene Protestpotential, das sich in der Revolution von 1956 in vollem Maße entfalten sollte.« Mit einem fußballpolitischen Thema beschäftigt sich auch René Küpper in seinem Aufsatz über die Politisierung des Fußballs in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit. Küpper spricht von einer »weitgehend gelungenen Kooperation« des Deutschen Fußball-Verbandes (DFV) mit dem übergeordneten tschechoslowakischen Verband bis 1938. Erbitterte Volkstumskämpfer hätten sich nicht in den Fußballvereinen gefunden, sondern im zahlenmäßig erheblich bedeutenderen antitschechischen und antisemitischen Deutschen Turnverband (DTV). So durften die Fußballabteilungen der im DTV organisierten Vereine nicht gegen Mannschaften antreten, die »nicht-arische« und nicht-deutsche Mitglieder hatten. Den Fußballabteilungen der Turnvereine war ab 1925 auch die gleichzeitige Mitgliedschaft im DFV untersagt, weil dieser mit seinen Mannschaften an der tschechoslowakischen Meisterschaft teilnahm. Das Buch, das auf ein Hauptseminar an der Universität Bonn zurückgeht, bietet leider nur für die Sowjetunion beziehungsweise Russland und Polen einen umfassenden Überblick von den Anfängen bis in die Gegenwart. Für andere Länder wie etwa Ungarn, die Tschechoslowakei und Jugoslawien werden lediglich einzelne Epochen herausgegriffen. Dennoch ist das Buch ein interessanter Einstieg für alle, die sich mit der Geschichte des Fußballs in Osteuropa beschäftigen wollen. Positiv ist zudem, dass in den Beiträgen zumeist sportpolitische Aspekte im Vordergrund stehen und nicht nur Ergebnisse und Tabellen wiedergegeben werden.
Überall ist der Ball rund: Fußball und Politik in Ost- und Südosteuropa
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