Mit Jahrestagen ist es so eine Sache. Mit viel Pomp werden KünstlerInnen oder PolitikerInnen gefeiert, die ohnehin alle kennen. Der Sinn des Spektakels besteht zumeist darin, dass die sich um den Prominenten gruppierende Unterhaltungsindustrie - von Verlagen über Theater bis zu Plattenfirmen - für ihre Produkte reißenden Absatz findet.
Auf der anderen Seite bietet ein Jubiläum die Möglichkeit, Vergessene wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Dafür ist der 150. Todestag des Vormärzdichters, Kaufmannes und Kommunisten Georg Weerth ein gutes Beispiel. Nachdem er in Westdeutschland nahezu in Vergessenheit geraten war, weil die DDR ihn für sich als Nationaldichter reklamiert hatte, und er auf diese Weise zum Schmuddelkind der deutschen Vormärzliteratur avancierte, hat sich in diesem Jahr einiges getan. So veröffentlichte der Berliner Verbrecher Verlag eines von Weerths Hauptwerken: Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapphahnski, den ersten deutschen Feuilletonroman. Diesen hatte Weerth in der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht, deren Chefredakteur kein geringerer war als Karl Marx. Die Zeitung erschien in den Revolutionsjahren 1848/49 und wurde in einer kleinen Redaktionsstube am Heumarkt in Köln produziert, an die heute nur noch eine Gedenktafel erinnert. Die NRhZ polemisierte sowohl gegen Adel und Klerus als auch gegen reaktionäre Teile des Bürgertums. Ihr Ziel war es, die bürgerliche deutsche Revolution voranzubringen, weil diese als Voraussetzung für einen möglichen kommunistischen Umsturz betrachtet wurde. Im Schnapphahnski-Roman unternimmt Weerth den Versuch, eine ganze Klasse der Gesellschaft in satirischer Form zu denunzieren: die preußischen Krautjunker. Als Hauptperson tritt Ritter Schnapphahnski auf, ein Pseudonym für den seinerzeit allseits bekannten, stramm reaktionären Fürsten Felix Lichnowski. Nachdem die ersten Folgen des Schnapphahnski erschienen waren, wurde Fürst Lichnowski bei einem Aufstand von ProletarierInnen ermordet. Weerth wurde daraufhin der Prozess wegen Anstachelung zum Mord gemacht, er musste drei Monate im Kölner Klingelpütz einsitzen. Nach dem Scheitern der Revolution wandte sich Weerth enttäuscht von der Politik ab und schrieb an Marx: »An Revolutionen in Deutschland glaube ich nun einmal nicht.« Weerth, der sich bis zu seinem Tod als Kommunist verstand, glaubte die Möglichkeit zu einer radikalen Umwälzung der Gesellschaft verstellt. Fortan konzentrierte er sich wieder stärker auf seinen erlernten Beruf, den des Kaufmannes. Er reiste um die halbe Welt, vor allem nach Nord- und Südamerika, sowie in die Karibik, wo er in Havanna am 30. Juli 1856 an einem Tropenfieber starb. Sein Werk, das nahezu vollständig in der 1956 von Bruno Kaiser in Ostberlin zusammengestellten Gesamtausgabe vorliegt, ist vor allem wegen seiner Formenvielfalt spannend. Besonders interessant ist der intensive Briefwechsel Georg Weerths. Nicht nur, weil dieser in einer aufregenden Zeit vonstatten ging, sondern auch, weil Weerth Kontakt zu zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten hatte, darunter Heine, Marx, Engels und Lassalle. Auch wenn - wie Marcel Reich-Ranicki kürzlich bemerkte - Weerths Lyrik nicht unbedingt originell ist (sie ähnelt der Heines), so lohnt sich doch die Lektüre seiner Werke. Und sei es nur, weil einen der Schnapphahnski wirklich zum Lachen bringt.