»Ein ganzes Volk, das Schutzgeld zahlt, ist ein Volk ohne Würde« und »Solidarität mit denen, die das Schutzgeld verweigern: Zeigt die Erpresser an!« Aufkleber mit diesen Texten prangten vor einem Jahr an jedem Laternenmast in Palermo: Startschuss der Initiative »Addiopizzo« (Schutzgeld adieu), in der sich inzwischen mehr als hundert Geschäftsleute gegen die Schutzgelderpressungen der Cosa Nostra zusammengeschlossen haben. Langsam aber stetig erobert sich das Volk in Sizilien seine Würde zurück - unter anderem mit der ironischen »Entwürdigung« der Mafia im Satiremagazin Il Pizzino. Mit von Eltern und Freunden geborgtem Geld hat Gianpiero Caldarella gemeinsam mit Leonardo Vaccaro und Francesco Di Pasquale den Pizzino gegründet. Das Magazin erscheint alle zwei Monate und wird zur Not als auffaltbares Plakat an die Hauswände geklebt, wenn sich BuchhändlerInnen und KioskbesitzerInnen nicht trauen, es zu verkaufen. Übersetzt bedeutet pizzino »kleines Schutzgeld«. Il Pizzino hat mittlerweile rund 10000 AbonnentInnen in ganz Italien, und sogar der italienische Fernsehsender RAI berichtete schon über das Magazin, das in seiner ersten Ausgabe den »Tag des Schutzgeldes« ausrief und Schutzgeld für alle forderte. Zudem ließ es den inzwischen festgenommenen Mafiaboss Bernardo Provenzano im italienischen Wahlkampf mit einem Plakat für eine imaginäre eigene Partei werben. Die Aufforderung, für die Partei »Italia Nostra« zu stimmen, endete mit dem Satz: »Geht bitte mit dem größten Schweigen an die Urnen« - ein Schweigen, das Il Pizzino mit Gelächter bricht. Ausreichend Material für die Zeitschrift liefert die Verkettung von Politik und Mafia immer wieder. So wird in der jüngsten Ausgabe gegen den Bau einer Brücke über die Straße von Messina gewettert, die Sizilien mit dem Rest des italienischen Stiefels verbinden soll. Es sei ein überflüssiges Prestigeprojekt, das nur Berlusconi und die Mafia wollten. Der eine als Denkmal, die andere aus Profitgier. Es kommt nicht von ungefähr, dass die ItalienerInnen spotten: »Seit Berlusconi sagt man nicht mehr, dass die Politik von der Mafia korrumpiert wird, sondern die Mafia von der Politik.« Auch des sizilianischen Gouverneurs Toto Cuffaro nimmt sich Il Pizzino an, weil Cuffaro trotz Ermittlungen gegen seine Person wegen Geldwäsche und Mafiakontakten auf eine zweite Amtszeit spekuliert. Caldarella meint: »Es gibt so viele Sachen, die im Geheimen ablaufen in Sizilien, die kann man eigentlich nur satirisch offen legen. Und man kann zur Not immer sagen, dass es nicht so gemeint war.« Seit fünfzig Jahren das erste Satiremagazin auf Sizilien, hat auch der Pizzino das erste Jahr nicht ohne Drohungen der Mafia überstanden. Die gehören laut Caldarella aber zum Alltagsgeschäft einer kritischen Zeitung auf Sizilien.
Lachen über die ehrenwerte Gesellschaft
Das italienische Magazin Il Pizzino wehrt sich mit Satire gegen die Mafia
- Weitere Artikel von Beate Schulz