Der erste Eindruck kann bekanntlich täuschen. Doch wenn ein Busfahrer ein gewagtes und verkehrswidriges Manöver hinlegt, um an die Haltestelle zu kommen, wird einem schon ein bisschen mulmig. Erst recht, wenn dieser Fahrer eine Gruppe von etwa vierzig Menschen sicher in die Toskana und zurück bringen soll. Viele der UrlauberInnen im Bus haben die einwöchige Reise gewonnen. »Gewinnen« ist allerdings ein dehnbarer Begriff, denn selbst das schützt nicht vor weiteren Kosten. Da ist zum Beispiel die Kurtaxe, denn das Hotel befindet sich in Chianciano Terme, einem Kurort. Auch das Abendessen wird als Halbpensionszuschlag noch aufgerechnet. Nicht zu vergessen sind zudem die Ausflüge nach Rom, Pisa, Siena und Florenz.
Die Hinfahrt dauert zwei Tage, weil die Reiseleitung es für nötig hält, die Gäste erst nach Österreich zu verfrachten, um dort die weiteren Details zu besprechen und die Zusatzkosten abzukassieren. Warum das nicht schon in Deutschland stattfinden konnte, erklärt sie nicht. Vielleicht weil sie nur hier, inmitten eines Alpenpanoramas, den Leuten die Zusatzkosten mit Kaffee und Apfelstrudel schmackhaft machen kann. Der freundliche Herr von der Reiseleitung ist eine Mischung aus Manager und Staubsaugervertreter: selbstsicher, aalglatt und vollkommen überzeugt von der eigenen Integrität. So macht er gleich zu Beginn klar, dass es sich hierbei keineswegs um eine Kaffeefahrt handelt. Trotz des obligatorischen Besuchs bei einem teuren Juwelier am Gardasee sowie der Verkaufsveranstaltung in Siena.
Um die Reisenden für sich zu gewinnen, geht der freundliche Herr aufs Ganze: »Wenn Sie das Komplettpaket mit allen vier Ausflügen buchen, dann zahlen Sie nicht 186 Euro pro Person, sondern nur sage und schreibe 130 Euro! Und Sie bekommen heute das Abendessen in Österreich gratis dazu!« Dieses Angebot wird teils mit wohlwollendem Klatschen, teils mit hochgezogenen Augenbrauen beantwortet. Wer nicht auf die sensationelle Offerte eingehen und, wenn überhaupt, nur einen oder zwei der Ausflüge mitmachen möchte, bekommt das Gefühl, dass den VeranstalterInnen das nicht recht ist.
Nach einer Zwischenübernachtung kommt die Gruppe endlich in Italien an. Zwar muss sie eine Verkaufsveranstaltung beim Diamantenhändler in Kauf nehmen, aber immerhin winkt im Anschluss ein Mittagessen am Gardasee. Die anfangs freundlich lächelnden Juweliere sind nach einiger Zeit nicht mehr so zuvorkommend, selbst zu den Leuten nicht, die tatsächlich etwas kaufen. Offenbar hatten sie ein größeres Geschäft erwartet. Das anschließende Mittagessen stellt sich übrigens als heiße Würstchen mit Senf heraus, die der Busfahrer selbst zubereitet hat. Den See bekommt niemand zu sehen.
Genauso wenig sehen die Reisenden von der Reiseleitung. In Chianciano Terme angekommen, springt für nicht mal eine Minute eine Mitarbeiterin in den Bus, heißt alle schnell willkommen, erklärt das Notwendigste und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Sofern die Gäste nicht die Verkaufsveranstaltung in Siena besuchen, sind sie von nun an auf sich gestellt. Kontaktdaten vor Ort erhalten nur einige der Reisenden. Vielleicht gibt es diese Notfallkarte ja nur für diejenigen, die das Komplettangebot angenommen haben. Für die guten KundInnen eben.