Ein Raunen geht durch die Menge. So etwas wie heute bekommen die Studierenden im Hörsaal nicht oft zu sehen. Drei pausbackige Männer in goldbestickten weißen Gewändern schreiten die Treppe zum Rednerpult hinunter, auf ihren Köpfen goldene Kronen. Hinter ihnen laufen Frauen in bunten Umhängen. Allen voran geht ein kleiner Mann, die grauen Haare zurückgekämmt, den man in seinem schwarzem Anzug und der gelben Krawatte zwischen seinen BegleiterInnen glatt übersehen könnte. Dabei ist er der Grund dafür, dass sich an diesem Novemberabend mehrere hundert Menschen in den vollbesetzten Hörsaal I drängen: Filmregisseur David Lynch. Wer sein Werk kennt und mag, hat sich die Chance, ihm einmal leibhaftig zu begegnen, nicht entgehen lassen.
Lynch wirkt schüchtern, als er das Wort ergreift. Die Hose hat er bis zum Bauchnabel hinaufgezogen, er spielt mit seinen Fingern: »Ich mag es nicht, vor Leuten zu sprechen. Es ist eigenartig, in so viele Gesichter zu sehen.« Dass er es dennoch tut, hat einen Grund: Der Regisseur möchte Werbung machen für Transzendentale Meditation, eine spezielle Meditationstechnik nach dem indischen Guru Maharishi Mahesh Yogi. Um dessen Lehre Studierenden und SchülerInnen näher zu bringen, hat er letztes Jahr die »David-Lynch-Stiftung für bewusstseinsbasiertes Lernen und Weltfrieden« ins Leben gerufen. Zudem hat er im November in Berlin eine Universität gegründet, an der man neben dem Erwerb traditioneller Abschlüsse auch die spezielle Entspannungstechnik erlernen kann.
»Die Meditation ist ein Weg, in sein Innerstes vorzudringen«, erklärt Lynch dem Publikum. »Ich erfahre immer größeres Glück, sehe die Welt als immer besser und besser an.« Viele BesucherInnen fragen kritisch nach, denn die internationale Meditationsbewegung, für die er wirbt, ist umstritten, nicht zuletzt wegen ihrer undurchsichtigen Finanzpolitik. Einer der Zuhörer fragt, warum es nicht kostenlos sei, die Transzendentale Meditation zu erlernen. Lynch antwortet, er wäre bereit, denjenigen, der die Technik wirklich lernen wolle, aber kein Geld dafür habe, finanziell zu unterstützen. Ob es stimme, dass die Bewegung um Maharishi Mahesh Yogi antidemokratisch sei, will ein anderer wissen. Lynch verneint das.
Als schließlich zuerst der Quantenphysiker Dr. John Hagelin und dann Emanuel Schiffgens, der sich selbst mit kölschem Akzent als »Radscha von Deutschland« vorstellt, das Wort ergreifen, ändert sich die Stimmung. Was deren Ausführungen über die »unbesiegbare deutsche Universität« mit Transzendentaler Meditation zu tun haben, ist kaum verständlich. Viele ZuhörerInnen verlassen den Saal, nur wenige machen ihrem Ärger mit Zwischenrufen Luft. Einer, der es tut, ist der Philosophiestudent Woldai Wagner: »Der mitgebrachte Experte war nicht in der Lage, die spektakulär angekündigte Meditationsmethode zu erklären«, sagt er. »Was gesagt wurde, war pseudowissenschaftlich, obskur und esoterisch. Ich finde es wichtig, dass man so was nicht durchgehen lässt.« Einen Vortrag über Filme hatte Wagner von Anfang an nicht erwartet, anders die Anglistikstudentin Lisa Togler. »Ich wusste vorher nicht, worum es geht. Ich dachte, es sei eine Uni-organisierte Veranstaltung. Bis ich merkte, dass es um Werbung ging. Ich habe mich aufgeregt, dass die Uni ihre Räume für so was vergibt.«
Universitätssprecher Patrick Honecker hält die Vermietung des Saals an die David-Lynch-Stiftung für gerechtfertigt: »Wir sind eine öffentliche Institution. Solange eine Veranstaltung nicht an Grundwerten rüttelt, also beispielsweise demokratiefeindlich ist oder zu religiösem Fundamentalismus aufruft, darf sie in der Universität stattfinden.«
Nach diesem Auftritt werden allerdings viele David Lynch mit anderen Augen sehen. So auch Wagner: »Lynch kann einem Leid tun.«