Kathe Lasnik, geboren am 13. Oktober 1927 in Oslo, gestorben am 1. Dezember 1942 in Auschwitz-Birkenau, war keine norwegische Anne Frank. Sie hatte nie Zeit, ihre Geschichte aufzuschreiben, bevor die Nazis sie in der Gaskammer ermordeten. Sie war nicht in außergewöhnlicher Form talentiert, hatte weder bedeutende FreundInnen noch stammte sie aus einer bekannten Familie. Kathe war ein ganz normales jüdisches Mädchen. Dennnoch hat der norwegische Journalist Espen Söbye sich daran gemacht, ihr kurzes Leben so detailgetreu wie möglich zu rekonstruieren - allein aus dem Grund, dass er ihren Namen in einer Statistik über deportierte Jüdinnen und Juden sah und nicht wollte, dass man sich an dieses Mädchen nur als Opfer der Nazis erinnert.
Mit Hilfe von ZeitzeugInnen-Interviews und historischen Dokumenten zeichnet Söbye in Kathe. Deportiert aus Norwegen das Leben von Kathe, ihren Eltern und ihren Schwestern so lebendig nach, als wäre er dabei gewesen. Bis die Deutschen das neutrale Norwegen am 9. April 1940 besetzen, ist es freilich ein eher alltägliches Leben: Kathes Eltern, aus Litauen stammend, versuchen ihr Bestes, ihren Kindern trotz eher bescheidener Einkünfte ein angenehmes Leben zu bieten. Kathe geht auf eine öffentliche Schule, schreibt gute Noten in Mathematik, weniger gute in Geschichte, verliebt sich in einen Klassenkameraden, findet Freundinnen. Auch nach der deutschen Besetzung geht Kathes Leben ohne große Repressalien weiter. Selbst ihre Verhaftung am 26. November geht eher unspektakulär vonstatten. Fünf Tage später ist sie tot.
An der Deportation der norwegischen Jüdinnen und Juden, so zeigt Söbye in seinem Buch, waren viele nichtjüdische NorwegerInnen mitschuldig. Eine schwer zu verdauende Tatsache für eine Nation, die sich überwiegend als Opfer der Nazis sieht. Doch Hass und Misstrauen gegenüber Jüdinnen und Juden waren auch in Norwegen in den Dreißiger- und Vierzigerjahren weit verbreitet, und das nicht nur in der nationalsozialistischen Partei Nasjonal Samling.