Dietrich Stauffer, 65, und Paul Pfeiffer, 72, sind Seniorenstudenten an der Philosophischen Fakultät. Stauffer ist Gasthörer und studiert Geschichte im zweiten Semester. Sein Kommilitone Pfeiffer ist bereits seit zehn Semestern wieder an der Uni, als Vollstudent. Er studiert Geschichte und Biblische Theologie mit dem Abschlussziel Magister. Für die philtrat sprach Johanna Böttges mit ihnen über skeptische FreundInnen, überfüllte Hörsäle und unkritische Studierende.
Wie haben Ihre Angehörigen und Freunde reagiert, als Sie ihnen gesagt haben, dass Sie noch mal zur Uni gehen wollen?
Pfeiffer: Ich bin während der letzten zehn Jahre meiner Laufbahn als Arzt schon damit schwanger gegangen, mal Geschichte zu studieren, weil mich das Fach immer interessiert hat. Meine Frau und meine Kinder stehen zur Gänze hinter mir. Im Freundeskreis und bei den Nachbarn ist die Meinung geteilt, ob ich mir das noch zumuten sollte, oder ob ich den jungen Studenten die Plätze wegnähme. Solche Äußerungen hört man hin und wieder mal.
Stauffer: Meine Freunde haben mir zuerst nicht geglaubt, dass ich wirklich ernsthaft hier an der Uni studiere. Die dachten, ich mach dann doch weiter so wie bisher. Ich habe 31 Jahre lang als Physiker an der Kölner Uni gearbeitet. Aber bisher hab ich es geschafft, den Absprung auf etwas Neues zu machen.
Herr Stauffer, als Gasthörer studieren Sie ohne Hausarbeiten, Klausuren, Abschlussprüfung. Warum machen Sie das?
Stauffer: Ich möchte etwas lernen. Das ist die letzte Chance in meinem Leben, noch mal etwas Neues zu machen. Andere alte Männer stoßen die Ehefrau ab und heiraten dann eine, die halb so alt ist. Mein Ziel ist, herauszufinden, was für Lügen wurden mir im Laufe meines Lebens vorher alle erzählt und wie sieht die Wahrheit aus. Und ein bisschen komme ich der Sache schon näher.
Herr Pfeiffer, Sie sind Vollstudent. Wie kam es dazu?
Pfeiffer: Ich hab mir nie vorstellen können, dass ich noch einmal Hausarbeiten oder Klausuren schreiben würde. Das wollte ich mir gar nicht zumuten. Es war ein Zufall, dass ich jemanden traf, der das auch machte und mir das schmackhaft machte. Da habe ich mir gedacht: Na ja, versuchen kann man's ja mal. Und ich hätte nie gedacht, dass ich es je schaffe, die Zwischenprüfung abzulegen.
Viele Studierende beschweren sich über überfüllte Seminare und Vorlesungen. Haben Sie da manchmal ein schlechtes Gewissen?
Stauffer: Ich habe ja nur eine Aufenthaltsduldung. Hätten sich zum Beispiel für meinen Arbeitskurs fünf Studierende mehr beworben, dann wäre ich der erste gewesen, der hätte gehen müssen. Völlig zu Recht. Wenn zu wenig Platz da ist, müssen die Gasthörer raus.
Pfeiffer: Wenn es zu überfüllt wäre, würde ich meinen Platz natürlich zur Verfügung stellen. Aber in meinen Veranstaltungen macht das keine Schwierigkeiten. Bis zur Hälfte des Semesters sind immer genügend Plätze da. Man verkriecht sich schon mal ein bisschen in die Ecke und lässt die Tische für die Studenten, um ein bisschen zu demonstrieren: Ihr seid hier ausschlaggebend und nicht wir. Wir sind Geduldete, so fühle ich das.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den jüngeren Studierenden?
Stauffer: Ich bin bisher weder kritisiert noch gelobt worden. Die sehen durch mich durch, hab ich den Eindruck.
Pfeiffer: Bei mir war bis zur Zwischenprüfung das Verhältnis außerordentlich gut, fast herzlich. Jetzt kriege ich auch mal ein bisschen hämisches Gelächter mit. Es kann an mir liegen, dass ich nicht so frei und offen auf die Leute zugehe. Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass die jungen Leute, die das Studium gerade anfangen, doch ein bisschen unbefangener sind. Die können uns vielleicht mehr akzeptieren. Also ich fand deren Haltung ausgezeichnet. So wären wir früher im Erststudium nicht zu älteren Semestern gewesen, so tolerant.
Wie hätten Sie denn auf ältere Studierende reagiert?
Pfeiffer: »Was will der denn hier?« Da bin ich ganz sicher. Medizin studierte eigentlich keiner von den älteren Semestern. Aber in den Geisteswissenschaften wird man sicherlich weniger tolerant gewesen sein als heute.
Stauffer: In meiner Jugend gab es den Slogan »Trau keinem über dreißig«. Ich könnte mir schon lebhaft vorstellen, dass es damals mehr Ärger über meine Existenz gegeben hätte als heute.
Wie ist Ihre Meinung zu den aktuellen Hochschulreformen wie der Einführung von Studiengebühren?
Pfeiffer: Ich selbst war froh, als ich Studiengebühren zahlen konnte, um eben auch ein Scherflein beizutragen. Dabei meine ich aber natürlich nur meine Situation. Dass man einen bedürftigen Studenten mit einer Studiengebühr belegt, das möchte ich auf keinen Fall. Da sollte eine Lösung gefunden werden, die die Studenten nicht zu sehr belastet. Ich kam aus ganz armen Verhältnissen und musste einen Teil meines Studiendarlehens zurückzahlen. Das ist schon eine Belastung, wenn man gerade fertig ist und etwas aufbauen will, und dann noch so eine Rate zurückzahlen muss. Stauffer: Ich bin ganz energisch gegen Studiengebühren. Weil sie die sozial schwächeren und bildungsfernen Schichten vom Studium abschrecken. Aber die nächste Landtagswahl wird vielleicht anders ausgehen und dann können sie vielleicht wieder gekippt werden.
Zum Abschluss: Was möchten Sie den Studierenden gern einmal sagen?
Pfeiffer: Ach, ich fühle mich nicht so als Weltbeglücker. Ich meine, die Jugendlichen, die hier mit mir sitzen, sind mir intellektuell sicherlich gleichwertig, wenn nicht ein bisschen mehr. Ich denke zwar schon manchmal: »Wenn die wüssten, wie das Leben wirklich ist«. Aber was weiß ich auf der anderen Seite, was die für Probleme haben.
Stauffer: Ich würde ganz klar sagen: Die Studierenden sollten mehr Fragen stellen. Wenn die Vorlesung zu Ende ist, gehen sie nach Hause, statt den Dozenten noch etwas zu fragen. Mehr Interesse, mehr Mut, sich auch zu blamieren durch eine angeblich dumme Frage - das fände ich gut.