Zunächst ahnen die LeserInnen des Comics nichts Böses: Ein kleiner Junge hat seine besten Klamotten angezogen und soll im Fotostudio abgelichtet werden. Während einer der beiden Fotografen noch letzte Korrekturen an dem Jungen vornimmt, Frisur und Textilien zurechtrückt, verliert der zweite Fotograf die Geduld und fängt an, den Jungen homophob zu beschimpfen.
Auch in anderen Geschichten aus dem grotesken Arbeitsalltag der Porträtfotografen verhalten sich die fast gesichtslos gezeichneten Männer despektierlich. Oft geraten sie während ihrer Aufträge in absurde Situationen und treten als zynische Kommentatoren auf. So schockiert es sie gar nicht, als sich ein Auftraggeber vor der Kamera enthauptet. Wie selbstverständlich ergreifen sie sogar selbst die Initiative und nutzen die bizarre Gelegenheit für ein Post-Mortem-Porträt.
Die skurrilen Geschichten um die abgeklärten Fotografen schreiben und zeichnen Florent Ruppert und Jerome Mulot ohne eine der comicüblichen Arbeitsteilungen zusammen. Mit Affentheater ist nun der erste Band des in Frankreich bereits sehr erfolgreichen Autorenduos auf deutsch erschienen. In den kurzen Geschichten kommen außer den Fotografen vor: rassistische weiße Touristen, gesunde Voyeure bei einer Behindertenorgie, Sodomie und so einige Tote. Zugegeben, geschmackvoll sind die Themen nicht immer. Und dennoch ist Affentheater alles andere als anspruchslos. Die Geschichten sind mehr als bloße Provokation und durchaus witzig und scharfsinnig. Die Fotografen sind nicht moralisch und sehen vermutlich auch keinen Anlass dafür; hinter ihrer Kamera beobachten sie schließlich nur. Auch bei Eingriffen in das Geschehen verlieren sie nie diese Lakonie des Zuschauers. Vor allem ist Affentheater aber ein lesenswerter Comic, weil Ruppert und Mulot formal so außergewöhnlich innovativ sind. Mit spannenden Seitenlayouts, Bastelaufgaben und anderen Elementen, die die LeserInnen zur Interaktion zwingen, probieren die Autoren viele bislang wenig bis gar nicht genutzte Möglichkeiten des Comics aus. Eindrucksvoll ist dabei die Leichtigkeit, mit der es Mulot und Ruppert gelingt, in der Form experimentell zu sein und gleichzeitig verständlich zu erzählen. In dieser Hinsicht können die beiden sogar Chris Ware das Wasser reichen.