Kommt herunter, reiht euch ein...

Wer wirft denn hier mit Torten? Von Julia Groth

Soziale Proteste werden immer wieder totgesagt, und sind doch nicht totzukriegen. Das zeigen auch die jüngsten Proteste, die sich gegen Studiengebühren, kaum vorhandene Mitbestimmung an der Uni sowie die Ausgestaltung der Bachelor- und Master-Studiengänge richteten und unerwartet viele Studierende auf die Straße trieben. Wer dabei neu entdeckt hat, welches Potenzial gesellschaftliche Bewegungen haben können, kann sich in dem Buch Kommt herunter, reiht euch ein… Eine kleine Geschichte der Protestformen sozialer Bewegungen, herausgegeben von den Kulturwissenschaftlern Klaus Schönberger und Ove Sutter, darüber informieren. Streiks dürften dabei eine der bekanntesten Methoden sein, mit denen Unzufriedene auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Selbst dieses Urgestein des sozialen Protests war jedoch nicht eines Tages einfach da, sondern ist dem Mut und Kampfgeist unterdrückter ArbeiterInnen zu verdanken. Wie der Streik nach Deutschland kam, woran manch ein Streik gescheitert ist und wie sich Streikende in der globalisierten Welt vernetzen, erklären die Autoren Martin Hofer und Michael Stritzel im entsprechenden Kapitel. Moderner wird es mit Phänomenen wie Grafitti, Torten werfen und der Rebel Clowns Army. Soziale Proteste haben nicht nur Tradition, sondern auch viele Gesichter, und sie entwickeln sich immer weiter - das ist möglicherweise die zentrale Botschaft des Buches. Gespickt mit nützlichen Literaturangaben und leider etwas zu kleinen Bildern von Protesten aller Art ist es Geschichtsbuch und Ideensammlung zugleich für alle, die nicht schon seit 20 Jahren auf Demonstrationen gehen und Streikblockaden errichten. Statt zum tausendsten Mal symbolisch die Bildung zu Grabe zu tragen oder baden gehen zu lassen, könnten so manche BildungsstreikaktivistInnen ruhig einmal in Kommt herunter, reiht euch ein… hineinschauen. Nicht alles, was Tradition hat, ist abgedroschen, und so einen richtigen Streik haben andere schon viel besser hinbekommen. Das einzige Manko des Buches: Im Inhaltsverzeichnis herrscht mildes Chaos, und auch ein paar Absätze in den einzelnen Texten wären nett gewesen. Da waren möglicherweise Text-Guerillas am Werk, denen alles andere zu konservativ gewesen wäre. Oder, was noch wahrscheinlicher ist: Das Buch sollte möglichst rasch herauskommen, ehe der jüngste Bildungsstreik abgeebbt ist - und soziale Proteste wieder einmal totgesagt werden.