Mehr als 7000 Roma, die in Italiens Hauptstadt und der näheren Umgebung in teils nicht geduldeten Behelfslagern leben, droht die Zwangsumsiedlung. Sie sollen in 13 abgelegene und überwachte Großlager ausquartiert werden. Dabei haben sie keinen Einfluss darauf, in welches dieser teilweise neu errichteten Lager sie kommen. Für etwa 1200 Roma ohne Aufenthaltsrecht sind keine Plätze in den neuen Lagern vorgesehen - Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass sie nicht nur ihre bisherige Bleibe verlieren, sondern vielleicht sogar ausgewiesen werden sollen. Unter den Roma sind viele Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. In den vergangenen Jahren kamen zudem viele Roma aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten hinzu, insbesondere aus Rumänien.
Eines der alten Lager, das für seine menschenunwürdigen Lebensbedingungen bekannt war und als »Europas größte Favela« galt, lösten die römischen Behörden bereits im Februar dieses Jahres auf. Auch in den anderen Behelfslagern fehlt es oft am Nötigsten, etwa Strom und Trinkwasser. Zum Teil hausen die Menschen dort seit 40 Jahren von der Regierung sich selbst überlassen neben Mülldeponien und ohne Abwasserentsorgung. Viele Familien können sich nicht einmal die Schulkosten für die Kinder leisten und leben mehr schlecht als recht vom Verkauf von Altmetall oder von Gelegenheitsjobs.
Roms Bürgermeister Gianni Alemanno verkauft die Zwangsumsiedlungen als eine Verbesserung der Situation. »Wir wollen den Roma eine konkrete Möglichkeit geben, eine Arbeit zu finden und sich zu integrieren«, sagt er gegenüber der österreichischen Presseagentur APA. Sein Ziel sei es, bis Jahresende alle illegalen Roma-Siedlungen in Rom abzureißen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International glaubt indes nicht an eine Verbesserung. Sie befragte Roma aus den bisherigen Behelfslagern, die von massiver Diskriminierung durch die Behörden berichteten. So bekämen etwa nur Personen eine Sozialwohnung, die bisher bereits an einem festen Wohnsitz gemeldet seien. Das trifft auf viele Roma nicht zu. Roms Behörden hätten sie zudem nur unzureichend über die Zwangsumsiedlung informiert. Die Roma kritisieren auch, dass sie nicht einmal selbst entscheiden dürfen, in welchem der neuen Lager sie untergebracht werden. Darüber hinaus sind die Lager schlecht oder sogar gar nicht an öffentliche Verkehrsmittel angebunden - das erschwert Kindern den Schulweg und ArbeitnehmerInnen den Weg zum Arbeitsplatz.
Roms Bürgermeister Alemanno rechtfertigt die geplanten Zwangsumsiedlungen mit einem Dekret, das die italienische Regierung im Jahr 2008 verabschiedet hat. Es stattet die Behörden einiger italienischer Provinzen mit Sondervollmachten im Umgang mit Nomaden aus. Die meisten Roma in Rom und der Umgebung sind jedoch keine Nomaden, wie es die Behörden behaupten. »Die große Mehrheit der Roma und Sinti in Italien möchte in Häusern wohnen wie jeder andere Italiener auch«, sagt Gisela Langhoff, Italien-Expertin von Amnesty International Deutschland. Sie fordert darum zumindest einen Ausgleich für die Betroffenen. »Wenn diese Menschen ihr Obdach verlieren, müssen die Behörden ihnen angemessene Ersatzunterkünfte anbieten.« Bisher gilt der sogenannte Nomaden-Plan nur in Rom und Umgebung. Langhoff fürchtet jedoch, dass sich das bald ändern könnte. »Politiker der weiteren angeblichen 'Notstandsregionen' könnten sich den Plan zum Vorbild nehmen«, sagt sie.