Wenn Welse durch den Garten schwimmen, stimmt etwas nicht. Dann hat es eindeutig schon zu viel, zu stark und zu lange geregnet. Und es hört nicht auf. Wohin das zu führen droht, sagt schon der Titel des Comics von Autor Pierre Wazem und Zeichner Tom Tirabosco: Das Ende der Welt. Tatsächlich scheint der Jüngste Tag nahe, die Rhône lässt sich nur noch mit Booten überqueren, alle Brücken sind überflutet. Die junge Frau, die scheinbar leblos in ihrer Wohnung liegt, scheint das nicht zu kümmern. Statt im trockenen Heim auf Armageddon zu warten, wagt sie sich sogar in die nasse Außenwelt. Ihr Vater liegt im Koma, und sie will seine Katze füttern. Auf den ersten Blick eine rationale Handlung in einer unheimliche gewordenen Welt. Auf den zweiten eine Reise in weit unheimlichere Gefilde.
Der Regen in Das Ende der Welt schafft eine eigentümliche Stimmung. Ist der Weltuntergang tatsächlich nah? Wer ist die alte Frau, die den Regen vorausgesehen hat und mit Katzen sprechen kann? Und was ist in dem geheimnisvollen Zimmer verborgen, dessen Tür niemand öffnen kann? Tiraboscos klare weiß-grau-blaue Zeichnungen in Kreide-Optik unterstreichen diese Stimmung zwischen Unbehagen und Melancholie und geben dem Comic den Anstrich eines leicht surrealen Traums. Selten waren Story und Zeichnungen bei einem Comic so gut aufeinander abgestimmt, wie in diesem Buch. Die Reise der Protagonistin entpuppt sich zwar nicht als Traum - das wäre für diesen hervorragenden Comic auch zu billig. Aber Autor Wazem wagt sich in dunkle Bereiche der menschlichen Psyche. Wie zuletzt Cyril Pedrosa mit seinem Aufsehen erregenden Comic Drei Schatten bewiesen hat, schließen sich psychoanalytische Deutungen und packende Geschichten nämlich nicht aus. Und in Das Ende der Welt schon gar nicht. Bestimmt hätte Sigmund Freud sogar zu Welsen etwas zu sagen gehabt.
Tirabosco, Tom und Wazem, Pierre: Das Ende der Welt. Avant-Verlag, Berlin 2009. 120 Seiten, 17,95 Euro.