Spielt ein Roman zwischen Junkies und EinbrecherInnen, kann das schnell danebengehen. Überzeichnete Figuren und möchtegern-authentische Dialoge machen das Lesen nur allzu oft zur Qual. Nicht so in Ingrid Strobls neuem Buch Endstation Nippes. Dort recherchiert eine WDR-Journalistin glaubwürdig in der Welt der KinderschänderInnen.
Ich-Erzählerin Katja Leichter rutscht durch Zufall in eine üble Geschichte hinein. Eigentlich will sie nur eine Reportage über Pflegefamilien machen, auch das schon kein einfaches Thema. Dann aber wird ihre Interviewpartnerin ermordet, ein Mädchen treibt tot im Rhein und obendrein fühlt sich Leichter verpflichtet, sich um einen hilfsbedürftigen kleinen Jungen und seine kratzbürstige Schwester zu kümmern. Die im Übrigen tiefer in die scheinbar unzusammenhängenden Ereignisse verstrickt sind, als sie ahnt.
In ordentlichem Tempo spinnt Autorin Strobl einen spannenden und sozialkritischen Plot, der bis nach Thailand und Nepal führt, ohne dass die Hauptfigur Köln je verlässt. Zum Glück, denn die Domstadt bildet, authentisch und ohne plakativ zu sein, eine wunderbare Kulisse. Ihre wichtigsten HelferInnen findet Hobbyermittlerin Katja Leichter in ihrem Veedel und dessen näherer Umgebung: Ex-Junkies, Ex-Prostituierte und einen geläuterten Einbrecher. In diesen Figuren offenbart sich wohl, mehr noch als im Plot selbst, das Menschenbild der Autorin. Während ein Gutteil der bürgerlichen, gesellschaftlich akzeptierten AkteurInnen Dreck am Stecken hat, sind es die Menschen am Rand der Gesellschaft, die Herz zeigen und zupacken, wenn es nötig ist.
Strobl muss es wissen. Sie ist nicht nur, wie die Hauptfigur selbst, Journalistin mit einem Faible für Themen, die weh tun. Sie saß auch selbst schon im Gefängnis. Zweieinhalb Jahre Untersuchungshaft trug ihr der Vorwurf der »Unterstützung einer terroristischen Vereinigung« Ende der Achtzigerjahre ein, gemeint waren die militanten linken Revolutionären Zellen. Wahrscheinlich wirkt die Hauptfigur in Endstation Nippes auch deshalb so authentisch, weil Strobl ihr viel von sich selbst mitgegeben hat. Leider auch die etwas albernen Bemühungen um ein Leben nach den Regeln des Buddhismus. Die ließe Katja Leichter besser sein. Ingrid Strobl vielleicht auch.