Es riecht nach feuchter Erde, nach trockenem Gras und nach Holz. Kinder laufen aufgeregt um ihre Eltern herum, während verschwitzte Hände Erde in einen großen Pflanzkasten aus Holz schaufeln. NachbarInnen, ArbeitskollegInnen, FreundInnen und völlig Fremde sind an diesem Tag aus einem Grund zusammengekommen: Sie wollen das öde Land zwischen Südstadt und Bayenthal gemeinsam verschönern.
Als »Volksbildungsprojekt« bezeichnet Dorothea Hohengarten, Mitbegründerin der Bürgerbewegung Neuland, ihr Vorhaben, »diese Brache wieder zugänglich zu machen als einen gemeinsamen Raum, der wächst und gedeiht.« Seit drei Jahren liegt das ehemalige Gelände der Dom-Brauerei nun brach. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW hatte das Areal ursprünglich aufgekauft, um das Ingenieurwissenschaftliche Zentrum der Fachhochschule Deutz nach Bayenthal umzusiedeln. Ende Juli verkündete die NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulz, dass die Fachhochschule in Deutz bleiben werde. Eine Entscheidung, die bereits vor drei Jahren hätte fallen können, da sie damals bereits diskutiert wurde.
Drei Jahre, in denen das verfallene Gelände hätte genutzt werden können. An Ideen, wie man das brachliegende Land wiederbeleben könnte, mangelt es den Bürgern nicht. So ist die Rede von einem KiTa-Provisorium, einem Café unter schattigen Bäumen oder langfristig der Bau einer Gesamtschule angedacht. Dorothea Hohengarten betont allerdings, dass sie mit dem Gemeinschaftsgarten-Projekt kurzfristige Pläne anstreben: »Uns ist es wichtig, dass wir eine Zwischennutzung bekommen, bis klar ist was mit diesem Gelände passiert. Wir graben uns nicht in die Erde, sondern mit unseren mobilen Pflanzenkästen können wir jederzeit umziehen.«
Anfang Juli planten die AnwohnerInnen einen Smartmob - um auf das Gelände aufmerksam zu machen. Via Facebook, Twitter, E-Mail und Mundpropaganda sprach sich die Aktion in Windeseile herum und wurde zu einem vollen Erfolg.
Auch an diesem Sommernachmittag brennt die Sonne vom Himmel. Nur eine leichte Brise sorgt kurz für Abkühlung. Dorothea Hohengarten schneidet eine Plane aus, um einen Neuland Holzkasten damit auszulegen. Immer wieder streicht sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr, die vorwitzig wieder herausfällt. Ihre Augen glänzen begeistert, wenn sie von dem Smartmob erzählt: »Viele Menschen kamen aus angrenzenden Stadtteilen wie Bayenthal, Raderthal und Zollstock, andere machten sich sogar auf den Weg von der anderen Rheinseite«. Ein mobiler Stand beim Edelweißpiratenfestival lockte weitere Interessierte an und Ende Juli folgte schließlich die Vereinsgründung. »Der harte Kern besteht aus ungefähr zehn Leuten« erklärt die freischaffende Journalisten.
Die Bürgerbewegung arbeitet eng mit der nahe gelegenen Schreinerei »Stadtwaldholz« zusammen. Besitzer Wilfried Nissing verkauft dort auch den Bausatz der Neuland Pflanzkästen. Die Basis bildet eine Europalette, 120x80x70 cm groß aus recycelten Holzteilen.
Zusammen mit ihrem Sohn Ben schaufelt Dorothea Hohengarten Erde in den Pflanzkasten. Aufgeregt formt er mit seinen kleinen Händen Löcher in die Erde, um die Tomatenpflanzen einzusetzen. »Es ist schön gemeinsam Dinge erlernen und weitergeben zu können«, sagt Hohengarten. »Wir haben viel von unserem Vorbild, den Prinzessinnengärten in Berlin gelernt.«
Den Traum eines urbanen Gartens haben sich die MacherInnen der Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg bereits erfüllt. Sie verwandelten eine große Brachfläche innerhalb der letzten zwei Jahre zu einem Ort des gemeinsamen Ackerns und Entspannens. Aber auch in Köln wird die Lust am innerstädtischen Gärtnern bereits umgesetzt. Pflanzstelle in Kalk als ein interkultureller, öffentlicher Gemeinschaftsgarten ist bereits vielen KölnerInnen ein Begriff.
Aber nicht nur die Lust am Gärtnern steht im Vordergrund, es geht vielmehr darum, das ehemalige Arbeiterviertel als attraktiven Ort zu gestalten. Auch Dorothea Hohengarten liegt ihr Viertel am Herzen. Seit 16 Jahren wohnt sie in der Südstadt und beobachtet aufmerksam, wie sich die Gegend verändert: »Die Mieten erhöhen sich zunehmend«, sagt sie. »Viele Türken und Italiener sind bereits weggezogen und uns stört diese Entwicklung.« Sie setzt die Tomatenpflanzen in den Kasten. »Die müssen tief in die Erde. Das sind nämlich Nachtschattengewächse, die können bis zum ersten Blattansatz rein«, erklärt die Freizeit-Gärtnerin. Dann drückt sie die Erde fest. »Wir können bald auch Chillis pflanzen. Dann machen wir einen großen Topf vegetarisches Chilli«, freut sie sich und klopft die Erde von den Händen. Gemeinsam mit ihrem Sohn holt sie mit der Gießkanne Wasser aus der naheliegenden Schreinerei.
Noch bevölkern Geröll, Steine, Gestrüpp und kaputte Flaschen den toten Ort. Dorothea Hohengarten und ihre Mitstreiter wollen das Gelände zum Blühen bringen. Die engagierten BürgerInnen treffen sich jeden Sonntag auf der Brache und entscheiden darüber wie sie weiter vorgehen wollen. Für sie ist es auch wichtig, eine Stimme zu bekommen: »Wir haben den Wunsch mitzubestimmen«, sagt Hohengarten. »Dieser Ort gehört uns allen gemeinsam und er wird auch gebraucht. Ich sehe darin den positiven Effekt einer Bildungseinrichtung - für Menschen jeden Alters, egal welcher Herkunft.«