Fast täglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen von den Kämpfen zwischen dem Assad-Regime und den Rebellinnen und Rebellen in Syrien. Für syrische Studierende, die in Deutschland leben, bedeutet das nicht nur, dass sie rund um die Uhr Angst um das Leben ihrer Verwandten und FreundInnen haben müssen. Viele von ihnen sind außerdem in eine finanzielle Notlage geraten. »Ich muss jetzt sehr viel arbeiten und konnte in diesem Semester nicht zur Uni gehen«, sagt Alan Jawich, der in Köln Medizin studiert. Seine Familie kann ihm kein Geld mehr nach Deutschland überweisen. Bisher hatten seine Eltern einen Teil seines Studiums finanziert. Durch die internationalen Sanktionen gegen die syrische Regierung sind jetzt alle Geld-Transaktionen unmöglich geworden.
»Vielen der 43 syrischen Studierenden an der Uni Köln fehlt jetzt die finanzielle Basis«, sagt Alexander Suchomsky, Sozialreferent des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Köln. Die Möglichkeiten des AStA zu helfen seien jedoch leider begrenzt. Nur in Ausnahmefällen kann der AStA ein Kurzdarlehen von 300 Euro gewähren. Dies haben einige in Anspruch genommen. Auch das Akademische Auslandsamt steht in Kontakt mit vielen der syrischen Studierenden. Die Uni Köln ruft nun zu Spenden auf. Es sei zwar bereits Geld eingegangen, sagt Karl-Heinz Korn vom Akademischen Auslandsamt. »Die Summe ist aber noch nicht ausreichend.«
Immerhin gibt es derzeit einen deutschlandweiten Abschiebestopp für SyrerInnen. Das ist für diejenigen eine Erleichterung, die ihre Prüfungen seit Beginn des Konflikts nicht bestanden haben. Normalerweise müssen ausländische Studierende einen Nachweis über ihre Studienleistungen vorlegen, um ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Wie Alan Jawich fällt es vielen schwer, sich voll auf ihr Studium zu konzentrieren. »Ich verbringe jeden Tag viele Stunden im Internet, um die Nachrichten zu verfolgen.«
Die Fakultäten gehen unterschiedlich mit der Situation um. Das Prüfungsamt der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät hat syrischen Studierenden zum Teil die nicht bestandenen Klausuren nicht als Fehlleistung angerechnet. An der Medizinischen Fakultät, wo viele der syrischen Studierenden eingeschrieben sind, wurden hingegen angetretene und nicht bestandene Prüfungen auch als solche gezählt. So erzählt Alan Jawich, dass er und seine KommilitonInnen zwar gut vorbereitet waren, doch die Nachrichten aus Syrien wühlten sie zu sehr auf und so fielen sie zum Teil durch das Physikum. So bleibt nur noch ein Versuch, die Prüfung abzulegen.
Einige der SyrerInnen an der Uni Köln haben sich vor einigen Monaten zusammengeschlossen, um gemeinsam auf die Situation in Syrien aufmerksam zu machen. Sie gründeten die Facebook-Gruppe »Die freien syrischen Studierenden an der Uni Köln.« Dazu gehören auch Jawich und sein Studienkollege Ahmad Al Rawi. »Wir waren natürlich von Anfang an sehr bewegt von dem, was passiert«, sagt Jawich. »Darum haben wir uns entschlossen, etwas in Köln zu machen.« Die syrischen Studierenden haben beispielsweise am Dom eine Demonstration gegen die Gewalt in Syrien und einen Flashmob vor der Uni organisiert. »Wir sind nicht an eine Partei oder eine politische Richtung gebunden«, sagt Al Rawi. Er und Jawich haben sich entschieden, auch mit ihrem vollen Namen an die Öffentlichkeit zu gehen. Das war keine leichte Entscheidung. Viele der inzwischen ungefähr 20 Studierenden in der Gruppe haben Angst vor dem verlängerten Arm des Assad-Regimes. Jedes politische Engagement der Studierenden kann immer noch eine Gefahr für die Familie in Syrien sein. »Auf unseren Demonstrationen wurden wir fotografiert«, sagt Al Rawi. Es ist wahrscheinlich, dass die Fotografen Spitzel des Regimes waren, die mit den Fotos die Familien in Syrien unter Druck setzen könnten.
Dennoch engagieren die Studierenden sich weiter. »Wir brauchen hier auch Leute, die die Bilder und die Videos aus Syrien erklären können. Das ist eine Aufgabe unserer Gruppe«, betont Jawich.