Die Augen auf das Ziel am anderen Ende der Halle gerichtet, spannt Helgard Rome die Sehne ihres Bogens. Ihre ganze Konzentration gilt in diesem Moment dem Schuss. Der Pfeil löst sich und schlägt in eine kleine Scheibe ein, die auf der gegenüberliegenden Seite der Turnhalle platziert wurde. Auch der zweite, dritte und vierte Bambuspfeil verfehlt sein Ziel nicht. Kein Wunder, schließlich übt sich die Trainingsleiterin schon seit über 30 Jahren in der Kunst des japanischen Bogenschießens, dem Kyudo.
Vor über 800 Jahren im Reich der aufgehenden Sonne entwickelt, verlangt das Training mit dem Langbogen vor allem Selbstdisziplin und höchste Konzentration. Jeder der acht Bewegungsabläufe vor dem Abschuss des Pfeils ist genau festgelegt. Das Treffen des Ziels ist dabei zweitranging. Anders als beim europäischen Bogenschießen muss man erst die verschiedenen Abläufe beherrschen, bevor man auf große Distanz schießen darf. »Viele kommen zum Training und erwarten, dass sie direkt mit dem Bogen schießen können«, erklärt Trainer Sebastian Nippold. »Aber die Bewegungsabläufe beim Kyudo sind sehr komplex und können nicht in drei Wochen erlernt werden.« Als AnfängerIn übt man deshalb zuerst mit einem Gummizug das Spannen des Bogens und schießt danach aus zwei Metern Entfernung auf einen Strohblock. Erst wenn man die richtige Körperhaltung und die Bewegungen verinnerlicht hat, kann man sich an der exakt 28 Meter entfernten Zielscheibe versuchen. Bis man soweit ist, kann aber schon mal ein Semester vergehen. Geduld und ein hohes Durchhaltevermögen sind also Pflicht. Auch die Materialkosten sind relativ hoch. So kostet der über zwei Meter große japanische Langbogen aus Fiberglas rund 300 Euro. Wen das alles nicht abschreckt, der oder die lernt eine der außergewöhnlichsten und faszinierendsten Sportarten kennen, die die Sporthochschule Köln zu bieten hat. Die VWL-Studentin Rujun Liang trainiert seit einem halben Jahr die Kunst des Bogenschießens und ist von ihrem neuen Hobby begeistert. »Man übt sich in Geduld und lernt, auf jedes noch so kleine Detail zu achten. Außerdem ist das Schießen mit dem Bogen echt cool«, fügt sie lachend hinzu.
Seit 20 Jahren wird Kyudo nun schon an der Sporthochschule angeboten, doch es sind schwere Zeiten für den Sport. »Früher konnten wir drei Mal in der Woche trainieren, heute nur noch einmal«, sagt Trainerin Rome traurig. Außerdem hätten durch das zeitintensive Bachelorstudium kaum noch Studierende die Möglichkeit, sich einem so zeitaufwändigen Hobby wie dem Kyudo zu widmen.
Wer sich schon immer für die japanische Kultur und das Bogenschießen interessiert hat, nach einem Kontrastprogramm zum hektischen Unialltag sucht und genügend Geduld und Lernbereitschaft mitbringt, sollte sich das Kyudo-Training anschauen. Es lohnt sich.
Zur Kontaktaufnahme einfach nach Kyudo auf www.campussport-koeln.de suchen.