Von wegen Politikverdrossenheit: Mehr als 66000 KölnerInnen setzten ihre Unterschrift unter das BürgerInnenbegehren gegen den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GAG und Grubo. Doch wenn BürgerInnen ihr Recht auf politische Teilhabe wahrnehmen wollen, stimmt das PolitikerInnen nicht unbedingt froh. Schon während des Begehrens hatte Rolf Bietmann, Fraktionsvorsitzende der CDU im Rat, erklärt, er halte das Begehren für rechtlich unzulässig. Ein juristisches Gutachten bestätigte diese Einschätzung. Was ist an der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge so umstritten?
Am 3. Juli 2001 hatte der Rat der Stadt Köln mit den Stimmen von CDU, FDP und Republikanern beschlossen, dem Verkauf der von der Stadt gehaltenen Aktien an GAG und Grubo grundsätzlich zuzustimmen. Die beiden Unternehmen besitzen über 42000 Wohnungen, zirka neun Prozent des gesamten Kölner Wohnungsbestandes. Über 100000 MieterInnen sind betroffen. Die PrivatisierungsbefürworterInnen argumentieren mit den leeren Kölner Kassen. Der Erlös aus dem Verkauf soll in die Schuldentilgung der Stadt fließen. Die gesparten Zinsausgaben sollen dann für die Sanierung maroder Kölner Schulen ebenso wie für den Umbau der Nord-Süd-Fahrt oder den Ausbau der Museumsmeile verwendet werden. Dabei wird die Schulsanierung allgemein als dringend notwendig empfunden. Die beiden letzten Vorhaben sind für die Opposition allerdings reine Prestigeprojekte, Wahlversprechen der CDU aus dem letzten Kommunalwahlkampf.
SPD, Grüne und PDS halten den Verkauf auch sozialpolitisch für unsinnig. Ein Verkauf von neun Prozent des Kölner Wohnungsangebotes, vor allem Wohnungen der unteren und mittleren Preisklasse, lässt den Mietspiegel ansteigen. In Städten wie Düsseldorf oder München gibt es keine kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Diese Städte verfügen über kein Steuerungsinstrument, um regulierend auf dem Wohnungsmarkt einzugreifen. Das durchschnittliche Mietniveau ist dort deutlich höher als in Köln. So ergibt sich folgendes Szenario: Was die Stadt an Privatisierungserlösen einnimmt, fließt über höhere Wohngeldzahlungen wieder aus dem kommunalen Geldbeutel. Mit einem kleinen Umweg allerdings: Die Mieten kommen nicht mehr einem städtischen Unternehmen zugute, das einen Teil in sozialen Wohnungsbau reinvestiert, sondern landen im Geldbeutel privater UnternehmerInnen und WohnungsbesitzerInnen. Die zeigten schon in den letzten Jahrzehnten wenig Neigung zum sozialen Wohnungsbau, sondern sicherten sich lieber anderswo eine bessere Rendite. PDS-Ratsherr Jörg Detjen hält das »für eine klassische Umverteilung. Das Geld fließt vom sozialen Wohnungsbau vor allem in Renommier- und Prestigeprojekte, die zu großen Teilen einer anderen Bevölkerungsgruppe zu Gute kommen.«
Negative Folgen eines Verkaufs fürchten auch die betroffenen MieterInnen. Ihre Angst vor Mieterhöhungen versuchte die CDU zu zerstreuen, indem sie die Stadtsparkassentochter Corpus Immobilien als potentielle Käuferin ins Spiel brachte. Das tröstete VerkaufsgegnerInnen nicht. Die Stadt hat, anders als bei GAG und Grubo, keinerlei Möglichkeiten, das Geschäftsgebaren der Corpus zu beeinflussen. Als Hilfskonstruktion entlarvt, hatte diese Option auch schnell ausgedient. Inzwischen bekundeten privatwirtschaftliche Unternehmen wie die berüchtigte WCM-Immobiliengruppe ihr Interesse an dem Geschäft. WCM machte schon als Aufkäuferin ehemaliger Eisenbahnerwohnungen mit unseriösen Geschäftspraktiken Schlagzeilen. Inzwischen wird über eine Ausschreibung nachgedacht.
Das Versprechen, MieterInnenrechte vertraglich abzusichern, wird von den Betroffenen kritisch gesehen. Zusatzvereinbarungen werden spätestens beim Verkauf an Dritte hinfällig. Rechtlichen Bestand hätten diese Vereinbarungen höchstens, wenn sie in jeden einzelnen Mietvertrag hinein geschrieben würden. Solch eine Einschränkung der zukünftigen EigentümerInnen würde den erwarteten Verkaufserlös von einer Milliarde Mark merklich drücken.
Der Zeitpunkt des Verkaufsbeschlusses war mit Bedacht gewählt. Die Mehrheitsfraktionen dürften darauf spekuliert haben, dass sich während der Sommer- und Urlaubszeit Widerstand schlecht organisieren lässt. Das Gegenteil war der Fall. Die Empörung verband direkt Betroffene wie MieterInnenräte, Beschäftigte und ortsansässige Handwerksbetriebe, die dramatische Auftragseinbußen fürchteten, mit besorgten BürgerInnen. Der Mieterverein initiierte ein BürgerInnenbegehren; ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Parteien, neben SPD und Grünen auch PDS, SAV und DKP, arbeitete dem Mieterbund zu, leistete Aufklärungsarbeit und sammelte Unterschriften.
Über Instrumente direkter Demokratie können BürgerInnen Einfluss auf kommunalpolitische Entscheidungen nehmen. Ein BürgerInnenbegehren ist erfolgreich, wenn drei Prozent der wahlberechtigten KölnerInnen - Deutsche und EU-AusländerInnen über 16 Jahren - unterschreiben. Nicht stimmberechtigt sind dagegen TürkInnen und KurdInnen, von denen viele in GAG-Wohnungen wohnen. Ist das BürgerInnenbegehren erfolgreich, muss über den Ratsbeschluss, auf den es sich bezieht, neu verhandelt werden. Wird dieser Beschluss dann erneut bestätigt, können die InitiatorInnen des BürgerInnenbegehrens einen Bürgerentscheid durchführen, der wie eine Wahl abläuft. Hier liegt das Quorum im Moment bei zirka 140000 Stimmen.
All diese Menschen zu mobilisieren ist ein gewaltiger Kraftakt. Dabei könnte den OrganisatorInnen allerdings die CDU unfreiwillig zu Hilfe kommen. Wenn sich die Mehrheitsfraktionen im Rat am 22. November dafür entscheiden, einem eigens erstellten Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftlers Prof. Fritz Ossenbühl zu folgen, werden sie das BürgerInnenbegehren als unzulässig ablehnen. Wut über diese arrogante Haltung könnte einen Teil der schweigenden Mehrheit zu einer »Jetzt erst Recht!«-Haltung veranlassen. Für CDU-Fraktionschef Bietmann ist der Text juristisch unzulässig, weil er sich auf den Verkauf von Wohnungen bezieht, es sich aber um den Verkauf von Aktienanteilen der Unternehmen handelt. Er moniert außerdem den fehlenden Vorschlag zur Deckung der ausgefallenen Einnahmen im Haushalt.
Beide Einwände tragen nach Ansicht der Opposition nicht. Ihr erscheint die Haushaltsdeckung nicht nötig, da die Unterlassung des Verkaufs keinerlei Kosten verursacht. Auch der Streit um die richtige Formulierung im Text ist weiterhin offen. Sollte es am 22. November zu einer Ablehnung kommen, bleibt dem Mieterverein der Klageweg. Der Verein werde »alle möglichen Rechtswege ausschöpfen«, kündigte der Vorstand in einer ersten Stellungnahme an. Er fordere aber den Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) auf, »die Entscheidung über den beabsichtigten Verkauf nicht auf juristischer Ebene« auszutragen. »Dies muss auf dem politischen Weg geschehen«, so die Stellungnahme weiter.
In der juristischen Anfechtung liegt eine Botschaft für alle Menschen, die sich bisher für das BürgerInnenbegehren engagiert und unterschrieben haben. Ihnen wird suggeriert, dass Politik eine äußerst komplizierte Angelegenheit ist, die er/sie besser Profis überlässt. Doch diese Reduzierung vom Subjekt zum Objekt der Politik wollen sich viele der Basisgruppen, die den Widerstand gegen die Privatisierung tragen, nicht gefallen lassen. Vor der Ratssitzung am 22. November ist eine Protestkundgebung geplant. Wer mehr über diese und andere Formen des Widerstands wissen möchte, besuche die Webseite der Initiative gegen die Privatisierung, www.antiprivat-koeln.de. Alle, die Wohnungspolitik für eine öffentliche Aufgabe halten und sie nicht privaten Profitinteressen unterordnen wollen, sollten mitprotestieren. Die Entwicklung ist nur umkehrbar, wenn unser »Nein!« deutlich zu vernehmen ist.
Andrea Kostolnik ist Mitglied des SprecherInnenrates der PDS Köln und kandidiert für die Alternative Liste an der Universität Köln.