Trotz der massiven StudentInnenproteste der vergangenen Monate konnte Mitte Dezember mit den Stimmen der drei konservativen Parteien Partido Popular (PP), Convergencia I Unio (CIU) und Coalición Canaria das geplante Hochsschulgesetz Ley Orgánica de Universidades, kurz LOU, im Parlament verabschiedet werden. Mit dem neuen Gesetz wird den einzelnen Universitäten ein höheres Maß an Autonomie zugestanden. Indem die Hochschulen künftig die Auswahl ihrer StudentInnen durch spezifische Eignungstest zunehmend selbst bestimmen können, soll der Wettbewerb unter den StudentInnen angekurbelt werden. Geplant ist weiterhin, dass über die Neustrukturierung der Universitätsgremien der Wirtschaft größerer Einfluss verliehen wird. Auch sieht das Gesetz eine deutliche Erhöhung der ohnehin schon bestehenden Studiengebühren und den Abbau einiger bislang autonom geführter StudentInnengremien vor.
Auch wenn es so scheint, als habe sich die konservative Regierung von Regierungspräsident José Maria Aznar (PP) mit der Verabschiedung des Gesetzes letztendlich durchsetzen können, hat die seit Ende Oktober bestehende Protestwelle gegen das neue Hochschulgesetz in der spanischen Bevölkerung mittlerweile einen hohen Grad an Sympathie erreicht. Die im Oktober noch eher spärlich besuchten Demonstrationskundgebungen an den Universitäten in Madrid, Barcelona und Valencia entwickelten sich im Verlaufe des Wintersemesters zu einer Protestwelle, an der sich Hochschulen aus allen Provinzen Spaniens sowie führende Mitglieder der beiden großen Gewerkschaften und der oppositionellen Parteien Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Izquierda Unida (IU) beteiligten. An einem eintägigen Warnstreik sollen sogar bis zu 2,5 Millionen SchülerInnen und StudentInnen teilgenommen haben.
Die Proteste gipfelten am 1. Dezember des vergangenen Jahres in einem Marsch auf Madrid, an dem nach Angaben der StudentInnengewerkschaft rund 350000 Menschen teilnahmen. Etwa sechshundert von den Gewerkschaften organisierte Busse mit SchülerInnen, StudentInnen und Gewerkschaftsmitgliedern trafen am frühen Morgen des 1. Dezember in Madrid ein. Unter den Protestierenden befanden sich auch 25 RektorInnen spanischer Hochschulen. Auf der Abschlusskundgebung forderten die DemonstrantInnen von der Regierung die Rücknahme des Hochschulgesetzes und einen Dialog mit den Gewerkschaften.
Zudem wurde erneut der Rücktritt der PP-Bildungsministerin Pilar del Castillo gefordert. Del Castillo bestritt in einer Stellungnahme am folgenden Tag den Vorwurf der StudentInnengewerkschaft, dass von ihrer Seite keine Auseinandersetzung mit den Forderungen der StudentInnen stattgefunden habe und die eigentlichen Verhandlungen im Verborgenen abgelaufen seien. Regierungspräsident Aznar bezeichnete die Proteste in Madrid als eine »Veranstaltung des Mobs, der er keine weitere Bedeutung« beimesse.
Wie das weitere Vorgehen der StudentInnen aussehen wird, ist zurzeit noch unklar. Laut einer Umfrage der Tageszeitung El Mundo an den Universitäten haben sich 75 Prozent der StudentInnen bislang nicht mit den Inhalten des neuen Hochschulgesetzes auseinander gesetzt. »Viele kritisieren das Gesetz einfach, indem sie sagen es sei schlecht oder komme von rechts, aber es ist kein Dialog entstanden, welcher die Kritik daran erklären würde«, sagt Javier Fernández von der SchülerInnenvertretung.
Auch sind nicht alle StudentInnen gegen den neuen Gesetzesentwurf. Die eher konservative Vereinigung von StudentInnen CES glaubt, dass mit dem neuen Gesetz die Qualität des Studiums erheblich verbessert werden könne. Ihrer Meinung nach sollten sich die StudentInnen an den Qualitätssicherungsprogrammen der Regierung aktiver beteiligen. Die StudentInnengewerkschaft dagegen will ihre Protestkundgebungen auch in diesem Jahr fortsetzen und hofft auf einen landesweiten Generalstreik.