»Nie konsultiert«

Kolumbianische Gouverneure über den Plan Colombia Von

Im April letzten Jahres besuchten drei Gouverneure kolumbianischer Provinzen die Schweiz. Die Kolumbien-Monatsberichte sprachen mit Ihnen über den Plan Colombia und die damit verbundenen Herbizideinsätze für die betroffenen Gebiete (siehe philtrat nr. 44). Parmenio Cuellar Bastidas ist Gouverneur des Departments Nariño, Iván Gerardo Guerrero leitet den Bezirk Putumayo und Guillermo Alfonso Jaramillo regiert im Department Tolima.

Es ist nicht üblich und im Gewaltkontext von Kolumbien sicher auch nicht ungefährlich, dass kolumbianische Gouverneure ins Ausland reisen, um sich dort Gehör zu verschaffen. Welche Differenzen existieren zwischen Ihnen und der Regierung in Bogotá?

Guillermo Alfonso Jaramillo: Bevor wir von Differenzen sprechen, möchte ich zuerst klar machen, dass es grundlegende und gemeinsame Anliegen zwischen uns und der Regierung Pastrana gibt. Gemeinsam ist uns die Suche nach einem Frieden in Kolumbien, auch die Suche nach Lösungen des Drogenproblems. Wir unterstützen unseren Präsidenten voll in seinem Anliegen, die Friedensgespräche mit den Guerillas FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) und dem ELN (Ejército de Liberación Nacional) vorwärts zu treiben. Ohne diese Gespräche wird es in Kolumbien nie Frieden geben. Es gibt viele Feinde eines Friedens mit sozialer Gerechtigkeit und Demokratie in unserem Land. Diese Kreise bedrohen uns, seitdem wir im vergangenen Oktober demokratisch gewählt wurden. Unsere Situation ist alles andere als einfach und höchst gefährlich. Trotzdem vertreten wir bezüglich des Plan Colombia eine andere Meinung als die Regierung.

Der Plan Colombia soll ein »Plan für Frieden, Wohlergehen und Stärkung des Staates« sein, wie es im Titel heißt.

Parmenio Cuellar Bastidas: Präsident Pastrana wollte 1998 die Friedensgespräche mit der Guerilla durch einen Marshallplan zur Friedenssicherung verstärken. Er bat die USA dafür um Finanzierung. In Washington krempelte man den Plan zu einem Drogenkriegsplan in unseren Departements um und vermischte undifferenziert Drogen- und Aufstandsbekämpfung. Die USA bewilligten 1,3 Milliarden Dollar für den Plan. Dieser wurde nie dem kolumbianischen Kongress, den regionalen Autoritäten, den NGO, den Guerillas vorgelegt, geschweige denn mit ihnen abgesprochen.

Das heißt, Sie hatten als betroffene Gouverneure nie etwas zum Plan zu sagen und auch nicht zu dessen Umsetzung?

Parmenio Cuellar Bastidas:Nein, weder unsere Amtsvorgänger noch uns hat man je nach unseren Einschätzungen, Vorstellungen und Lageanalysen befragt. In Brüssel bekamen wir gestern durch Zufall bei einem Gespräch den aktuellen Budgetplan des Plan Colombia, der am 30. April den europäischen Geberländern durch unsere Regierung vorgelegt wird, zu Gesicht. Mit Erstaunen mussten wir erfahren, was die Regierung in Bogotá in unseren Departements plant. Wir wissen auch, dass die Interamerikanische Entwicklungsbank BID ein Budget finanzierte, worin 100000 US-Dollar vorgesehen waren für Konsultationen in den betroffenen Gebieten. Dieses Budget wurde nicht ausgeschöpft.

Teile des Plan Colombia, zum Beispiel die Ausrottungsaktionen von Kokaplantagen durch hochgiftige Pestizideinsätze aus der Luft im Departement Putumayo, sind nicht nur geplant, sondern werden bereits umgesetzt. 30000 Hektar Koka sollen ausgerottet worden sein. Wurden diese Aktionen mit Ihnen, Herr Guerrero, als Gouverneur des Putumayos vorbesprochen?

Iván Gerardo Guerrero:Nein, man hat mich nie konsultiert. Erst als die Helikopter im Anflug waren, wusste ich, was es geschlagen hat.

Hätten Sie Ihr Einverständnis zu den Besprühungsaktionen gegeben?

Iván Gerardo Guerrero:Sicher nicht. Ich habe letzten Oktober die Wahlen in meinem Departement mit dem Motto »Für einen Putumayo ohne Koka - aber ohne Besprühungen« gewonnen. Das ist ein Versprechen, das ich nicht bereit bin, zu brechen.

Warum sind Sie gegen die Besprühungsaktionen, welche von den US-Drogenbehörden als das einzig wirksame Mittel im Kampf gegen den Drogenanbau gepriesen werden?

Iván Gerardo Guerrero:Weil es eine Strategie ist, die das Problem nicht löst, sondern es nur verlagert. In den Neunzigerjahren hat man im Departement Guaviare aggressiv die dortigen Kokafelder besprüht mit dem Resultat, dass sich diese in unser Departement verlagert haben…

Parmenio Cuellar Bastidas:…und seit im Putumayo besprüht wird, beginnt der Anbau bei uns. Und von Nariño werden sie sich in andere Gegenden verlagern, auch nach Ecuador, Perú. Die Besprühungsstrategie ist gescheitert, denn sie löst die sozialen Grundprobleme des Drogenanbaus nicht, sondern schafft zusätzlich neue.

Können Sie diese kurz umreißen?

Iván Gerardo Guerrero:Die unkontrollierten Besprühungsaktionen zerstören nicht nur die illegalen sondern auch die legalen Anpflanzungen der Bauern wie Mais, Yucca, Bananen. Von den 30000 besprühten Hektar sind vierzig bis fünfzig Prozent legale Anpflanzungen betroffen. Die Gesundheit der Betroffenen wird gefährdet. Tiere sterben oder werden krank. Tausende von Familien müssen flüchten. Die Pestizide verseuchen die Böden und das Wasser. Durch den erwähnten Verlagerungsprozess fällt weiterer Regenwald zum Opfer - eine ökologische Katastrophe.

Sie sagen unkontrollierter Pestizideinsatz. Existieren nicht klare Reglements für solche Einsätze?

Iván Gerardo Guerrero:Im Valle Guamues wurden fünfzig Hektar eines Drogenanbau-Substitutionsprojektes mit Pfefferschoten besprüht und zerstört. Wie kann man da von kontrolliertem Einsatz reden? Die praktizierten Einsätze verstoßen gegen unsere Gesetze, gegen die Menschenrechte und das Internationale Völkerrecht wie die Ombudsstelle kürzlich feststellte. In den Regelungen wird auch vom Einbezug der lokalen Behörden gesprochen. Wir werden permanent übergangen, nie einbezogen! Die Besprühungsstrategie ist gescheitert.

Was schlagen Sie als Alternative vor?

Guillermo Alfonso Jaramillo:Wir schlagen einen Sozialpakt zwischen der Regierung und den betroffenen Koka- und Mohnbauern vor. Dieser sieht eine freiwillige, fortschreitende und manuelle Ausrottung der Kokapflanzungen vor. Dieser Prozess soll in drei Phasen ablaufen. Phase eins: Den Bauern und ihren Familien, die den Sozialpakt eingehen und ihre illegalen Anpflanzungen ausrotten, wird die Nahrung für ein Jahr zugesichert. Sie erhalten in der zweiten Phase technische Unterstützung, um legale Produkte anbauen zu können. In der dritten Phase sollen die erzeugten Produkte auf regionalen, nationalen und internationalen Märkten verkauft werden. Bauern, welche keine Kokapflanzungen besitzen, können auch den Sozialpakt unterzeichnen.

Warum?

Iván Gerardo Guerrero:Projekte der Regierung mit manueller Ausrottung ausschließlich für Kokabauern haben bei uns gezeigt, dass sie eine verhängnisvolle Dynamik auslösen. Um auch von den Vorteilen der Programme profitieren zu können, mussten die Nichtkokabauern zuerst einmal Koka anbauen, was wiederum den ›Erfolg‹ der manuellen Ausrottungen wettmachte. Unser Vorschlag will die Koka ausrotten und nicht einfach verschieben. Dies ist nur durch solche umfassende Sozialpakte in unseren Regionen möglich.

Die treibende Kraft des Drogengeschäftes - die Prohibition, welche die Preise in konkurrenzlose Höhen treibt - bleibt aber unangetastet. Wäre nicht eine kontrollierte Legalisierung der ganzen Drogenhandelskette - Produktion, Handel, Konsum - ein nachhaltigerer Lösungsansatz?

Iván Gerardo Guerrero:Von Legalisierung in Kolumbien zu reden, ist gefährlich. Wer das Wort in den Mund nimmt, wird sofort in die Ecke der Drogenhändler gedrängt. Wir haben nichts mit dem Drogenhandel zu tun!

Guillermo Alfonso Jaramillo:Der Drogenhandel macht sein Geschäft zweifellos mit der Prohibition, wie die jüngsten Besprühungen zeigen. Die Preise der Kokabase sind in den vergangen Monaten ums Doppelte gestiegen. Eine Drogenlegalisierung, welche diese Dynamik durchbricht, ist politisch zur Zeit nirgends auf der Traktandenliste. Wir müssen versuchen in den gegebenen Verhältnissen nach Alternativen zu suchen, um das Schlimmste abzuwenden. Gelingt uns das nicht, wird Kolumbien in einem Krieg mit unermesslichen Ausmaßen enden. Wir hoffen, dass man dies in Europa erkennt und danach handelt.

Das Interview wurde aus den Kolumbien-Monatsberichten übernommen. Diese finden sich im Netz unter www.kolumbien-aktuell.ch.