Auf den ersten Blick kommt Gisela Elsners Ehe-Chronik Die Zähmung wie das Stillleben eines ehemals feministischen Feldes daher: Der Schriftsteller Alfred Giggenbacher und seine Frau, die Filmemacherin Bettina Begemann, führen eine moderne, aufgeklärt-liberale Ehe. Beide kreativ (berufs)tätig, entstammen sie einem ehemals linken Post-68er-Milieu. Von den klassisch patriarchalen Verhältnissen kann in ihrer Beziehung keine Rede sein. Trautes Eheglück?
Wohl kaum, denn unter all den sozialen Privilegien wuchert der gegenseitige Neid, frustrierte Sexualität, eine fatale Abhängigkeit und nicht zuletzt eine unreflektierte, umso verkorkster sich artikulierende Spießigkeit. Dass von der (sexuellen) Revolte nur das bürgerliche Bedürfnis nach Gleichheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen übriggeblieben ist, ist dem erstmals 1984 in Westdeutschland erschienenen Roman nicht fremd. Dies allein ist für Gisela Elsner jedoch noch kein Thema. Sie lässt es vielmehr wuchern. In der Zähmung wird das zwischenmenschliche Drama auf eine andere, untergründigere Ebene verschoben.
Elsner führt ihre Figuren schablonenartig vor. Sie möchte keine Personen mit Identifikationspotenzial schaffen: So sehr Giggenbacher, aus dessen Sicht die Chronik erzählt ist, in seiner Phlegmatik Opfer des Ehrgeizes seiner Frau wird, ist er mit seinem Selbstmitleid genauso unerträglich wie seine Angetraute, die vom Kinderwunsch über diverse Liebhaber und als gefeierte Betroffenheitsliteratin alle Register ihrer befreiten Weiblichkeit zieht. Wie mit ihren Figuren geht Elsner mit ihrer Sprache hart und unerbittlich um. Irgendwann beginnt dieser ewig gleiche, unterkühlte Sound der Dialoge, diese verschachtelten Sätze, die eine Pointe bewusst hintertreiben, beginnt diese Sprachwalze zu nerven.
Die Lektüre macht klar, dass der Hass der Autorin auf bürgerliche Verhältnisse so groß ist, dass sie sich und den Lesenden die Satire, die augenzwinkernde Verständigung verbietet. Gisela Elsner nahm sich 1992 das Leben. Wenn man der autobiographischen Verfilmung Die Unberührbare ihres Sohnes Oskar Roehler Glauben schenken mag, war es der Untergang des kommunistischen Systems, der Mauerfall und die allgemeine Mißachtung ihres persönlichen Helden Lenin, der sie dazu bewog. Die DDR-Liebhaberin und Kommunistin, die in München lebte, war damals 55 Jahre alt und hatte seit drei Jahren keinen Roman mehr geschrieben.
Wie Tjark Kunstreich im Nachwort der jetzt im Berliner Verbrecher Verlag neu aufgelegten Romanvorlage schreibt, war die Elsner, die sich in ihrem Alltag mit schwarzer Perücke und Diven-Look in extremer Künstlichkeit in Szene zu setzen verstand, letztendlich mehr Kommunistin als Schriftstellerin oder Frau. »Der Kommunismus der Gisela Elsner ist eine eigene Partei«, bis zuletzt habe sie an die Revolution geglaubt. Mit ihrer Schreibweise wollte sie nie Wirklichkeit herstellen: Ihr ging es, wie Kunstreich formuliert, allein »um die Beschreibung, die sich der Mühe unterzieht, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.« Die Künstlichkeit, mit der sie »zur Kenntnis« nimmt, ist lesenswert.
Gisela Elsner: Die Zähmung, Verbrecher Verlag, Berlin 2002, 15 Euro.