Jonathan, ein junger amerikanischer Schriftsteller der zweiten jüdisch-amerikanischen Generation nach der Shoah begibt sich, nur mit einer alten Fotographie als Hinweis, auf die Suche nach den Spuren seiner VorfahrInnen und ihres Schtetls in der heutigen Ukraine. Er engagiert einen jungen Ukrainer und dessen Großvater als Dolmetscher und Reiseleiter. Alex, der junge Ukrainer, erzählt die Geschichte ihrer Suche in Briefen an Jonathan. Er schildert nicht nur diese Reise als ein tragikomisches Roadmovie im wilden Osten, sondern erzählt warmherzig und mitunter rührend von seiner Familie und seinen Träumen von Amerika. Sein Englisch hat er weniger in der Schule gelernt, sondern eher aus dem intensiven Studium eines zweifelhaften Wörterbuchs. Hier hat der Übersetzer eine sprachliche Glanzleistung vollbracht, diese Passagen in ein ebenso witziges, unwahrscheinliches und in seiner Fehlerhaftigkeit umso ehrlicheres deutsches Idiom zu übertragen.
Jonathan hingegen schreibt in Briefen an Alex in die Ukraine die fantasierte Geschichte des Schtetls Trachimbrod und seiner Vorfahren von den mythischen Anfängen bis zum katastrophalen Ende. Hier entfaltet Jonathan Safran Foers Roman mit einer erstaunlichen Sprachkraft und Bildhaftigkeit eine idealisierte, versunkene Welt mit skurrilen Gestalten und Begebenheiten die aus einer jiddischen Wunderrabbigeschichte oder den Bildern von Chagall entsprungen zu sein scheinen, ein ostjüdisches Arkadien.
Auch Alex, der den Fortgang des Romans selbstlos mit Verbesserungsvorschlägen begleitet, beginnt in der Geschichte zu forschen. Was verschweigt der Großvater, der auf einer alten Fotographie mit einer jüdischen Familie auftaucht? In der Katastrophe der Vernichtung während der deutschen Besatzung treffen alle diese Welten plötzlich aufeinander und Vergangenheit und Gegenwart begegnen einander auf überraschende Weise.
Dem Autor, Jahrgang 1977, gelingt es in seinem Debutroman durch die raffinierte und verblüffende Verschränkung der Handlungs-, Sprach- und Zeitebenen aus Komödie und Tragödie ein literarisches Kunststück zu schaffen, für das er nach einem sensationellen Erfolg in den USA inzwischen auch in Deutschland gefeiert wird.
Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet, Kiepenheuer und Witsch, Köln 2003, 22,90 Euro.