Ouvertüre

Von

»Jahrelanges Training - und dann eine derartige Unprofessionalität«, donnerte die Stimme des Alterspräsidenten durch den kleinen Konferenzraum. Die Pfeife in seinem Mund hob und senkte sich bei jeder Zuckung seiner Gesichtsmuskeln, als er zu einer seiner gefürchteten castroesken Sechsstundenreden ansetzte. Die letzte Ausgabe ihrer Leib- und Magenzeitung, verehrter Leser und verehrte Leserin, landete, von seiner zitternden Hand geführt, immer wieder krachend auf dem Tisch. Mucksmäuschenstill rutschten wir auf unseren Stühlen hin und her. Das Redaktionsfaktotum hatte sich in Erwartung des kommenden Donnerwetters bereits in die hinterste Ecke des Schrankes verkrochen.

»Endkontrolle! Endkontrolle ist das A und O einer jeden Zeitung«, wutschnaubte es hinter der Pfeife hervor. »Es muss einfach auffallen, dass bei der fortlaufenden Nummerierung eine Ausgabe übersprungen wurde. Wird denn aus diesem Sauhaufen nie eine funktionierende Redaktion?« Die blanke Verzweiflung in seiner Stimme beherrschte die Szenerie. Vollkommen eingeschüchtert ob einer solchen Entrüstung der für ihn gottgleichen Autorität meldete sich der Praktikant für Productplacement zu Wort. »Wir …«, stotterte er, »wir haben aber auch einen Erfolg zu vermelden.« »So?« echote es durch die Pfeife hindurch. Das mehr gehauchte als gesprochene »complètement gaga« des Redaktionskükens ging in dem ganzen Tohuwabohu unter.

Das Selbstbewusstsein des Produktplacementpraktikanten wuchs von Sekunde zu Sekunde. Handelte doch das Gespräch jetzt von seinem Spezialgebiet. »In der AOK-Zeitschrift Vigo konnten wir die philtrat platzieren - in einem Artikel über einen unserer Gastautoren.« Das »Zeigen!« aus dem Mund des großen Steuermanns klang dann auch gleich viel sanfter. Ein kurzer Blick auf das säuberlich im Ordner Produktplacement abgeheftete Belegexemplar ließ ihn eine Jubelarie anstimmen. »In der Campuszeitung ›philtrat‹ spart er nicht mit ironiegetränkten Kommentaren, wenn z.B. die Beschäftigung studentischer Hilfskräfte in den Fokus seiner Kritik gerät«, klopfte er sich beim zweiten Lesen lachend auf die Schenkel: »Genau solche Zitate brauchen wir für das Promoten unserer Zeitung.« Mit einem sonoren »Weiter so!« am Ende stopfte sich der Alterspräsident selbstzufrieden eine neue Pfeife.

Die Redaktion