Campen illegal

Noch vor dem offiziellen Ende wurde das antirassistische Grenzcamp in Köln von der Polizei geräumt. In den vorangegangenen Tagen hatten die CamperInnen mit zahlreichen Aktionen Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Von Friedbert Knapp

Rund eintausend TeilnehmerInnen hatte das antirassistische Grenzcamp auf den Poller Rheinwiesen angezogen. Zehn Tage lang wollten sie gegen die Kontrolle und Ausgrenzung von MigrantInnen protestieren. Einen Tag vor dem geplanten Ende am 10. August räumte ein Großaufgebot von knapp 2500 PolizistInnen das Camp und nahm die 360 dort verbliebenen Camp-TeilnehmerInnen in Gewahrsam.

Bereits am Nachmittag hatten mehrere Hundertschaften Polizei das Gelände am Rhein eingekesselt. Angeblich, um eine Konfrontation zwischen den CamperInnen und einer Neo-Nazi-Demonstration zu verhindern. Schon vor dem Beginn des Polizeieinsatzes um 11 Uhr teilte der Radiosender WDR 2 mit, dass das Ende des Camps am 9. August von 2500 PolizistInnen »begleitet« würde, obwohl das Camp offiziell am 10. August enden sollte. In der Nacht zum Sonntag stürmten PolizistInnen das Camp und brachten die TeilnehmerInnen zur Feststellung der Personalien in die Gefangenensammelstelle Brühl bei Köln. Die Polizei begründete ihre Vorgehensweise mit »erheblichen Straftaten«, die im Laufe der Woche von den GrenzcamperInnen begangen worden seien. Die Rede war von 84 Straftaten, die aber allesamt weder besonders schwerwiegend waren, noch die Kriminalisierung aller Camp-TeilnehmerInnen rechtfertigten. Alle Festgenommenen wurden am Vormittag des 10. August wieder freigelassen.

Die Pressegruppe des Grenzcamps kritisierte die Räumung in einer Erklärung: »Das 6. Antirassistische Grenzcamp, welches sich gegen staatlichen und alltäglichen Rassismus richtet, soll in der Öffentlichkeit als kriminell dargestellt werden. Angesichts von Abschiebungen in Folter und Tod sind Müll im Ibis-Hoteleingang sowie Störung der Flugabfertigungen wegen Beteiligung am Abschiebegeschäft Ausdruck von Zivilcourage und sollten nicht zu kriminellen Aktivitäten hochstilisiert werden. Die Aktionen des Grenzcamps sind in erster Linie symbolischer Natur und sollen irritieren und provozieren.«

Auch Camp-TeilnehmerInnen äußerten die Vermutung, dass es sich bei dem Polizeieinsatz um eine auf Landes- oder gar Bundesebene abgestimmte Aktion handelte, mit der CamperInnen eingeschüchtert und kriminalisiert werden sollen. Eine Erklärung von Polizeipräsident Klaus Steffenhagen, die in der Kölnischen Rundschau vom 11. August zitiert wird, legt dies nahe: »Steffenhagen ist ›sehr zuversichtlich‹, dass das nächste Treffen vom zuständigen Gericht verboten wird. In den vergangenen Tagen hätten die Kräfte ›eindeutiges Beweismaterial‹ gesammelt.«

In den zehn Tagen vor der Räumung hatten die CamperInnen mit Aktionen und Demonstrationen gegen Firmen und Institutionen protestiert, die für die alltägliche Diskriminierung von MigrantInnen stehen: Firmen, die MigrantInnen zu besonders schlechten Bedingungen beschäftigen, Behörden wie das Ausländerzentralregister, das für die rassistische Sondererfassung von MigrantInnen zuständig ist oder die International Organisation for Migration (IOM), das Gegenstück zum UN-Flüchtlingskomitee UNHCR.

Am Düsseldorfer Flughafen protestierten AktivistInnen gegen Abschiebungen und Fluggesellschaften wie LTU und Lufthansa, die von eben diesen Abschiebungen profitieren. Die Chartergesellschaft LTU betätigt sich mittlerweile auch als so genannte Deportation Airline. Auch gegen die menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen auf einem Schiff in Köln wurde protestiert.

Erstmals in seiner Geschichte begann das Grenzcamp mit einem Auftaktforum. Unter dem Motto »Antirassismus ausbuchstabiert« wurden in der Deutzer Fachhochschule verschiedene Aspekte von Migration diskutiert. In die Kritik der ForumsteilnehmerInnen geriet dabei besonders die IOM. Die IOM ist eine internationale Organisation mit mittlerweile 101 Mitgliedsstaaten und versteht sich selbst als ökonomisch orientiertes Gegenstück zum humanitär ausgerichteten UN-Flüchtlingskomitee UNHCR. Die IOM organisiert die »freiwillige« Rückführung von illegalen Flüchtlingen, versucht jedoch vor allem, Migration allgemein zu verhindern. So unterstützt sie die Staaten der so genannten Dritten Welt dabei, ihre Grenzen zu befestigen, und organisiert die Ausbildung von Grenztruppen. Die Humanität bleibt dabei meistens auf der Strecke. So leitet die IOM ein Flüchtlingslager im Südsee-Zwergstaat Nauru, wo laut Amnesty International »höllische Zustände« herrschen. Auch an den Kriegsvorbereitungen im Kosovo, im Irak und anderswo war die IOM im Interesse des ›Migrationsmanagements‹ beteiligt.

Auch die so genannten Ausreisezentren wurden auf dem Kongress thematisiert. Diese sollen MigrantInnen, die nicht abgeschoben werden können, so weit demoralisieren, dass sie Deutschland ›freiwillig‹ verlassen. Zurzeit gibt es solche Zentren in drei deutschen Bundesländern - eines befindet sich in Fürth. Die BewohnerInnen sind dort umfassenden Kontrollen unterworfen: Sie müssen sich bei einem privaten Sicherheitsdienst an- und abmelden, es finden willkürliche Zimmerdurchsuchungen statt und Besuch darf nur mit Genehmigung der Behörden empfangen werden.