Schon seit Anfang November streiken die StudentInnen in Berlin. Bedeuten die Weihnachtsferien einen Einbruch der Proteste, oder werden die StudentInnen weiter gegen die Sparpolitik der Berliner Regierung demonstrieren? Mehr dazu weiß Peter Hartig. Er ist Student an der Humboldt-Universität Berlin (HU) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Öffentlichkeit der streikenden Studierenden der HU.
Auf der HU-Vollversammlung hat sich am 5. Januar 2004, eine Mehrheit für einen Teilzeitstreik ausgesprochen. Ist der Streik an der HU damit zu Ende?
Nein. Der Streik und die Proteste werden weitergehen. Wie die Sache genannt wird, ist nicht entscheidend. Es wurde beschlossen, dass die Proteste bis zum 15. Januar, also bis zur ersten Lesung des Berliner Sparhaushaltes, fortgesetzt werden. Selbst nach sechsstündiger Debatte waren am Ende noch zweitausend Studierende an der Abstimmung beteiligt. Das zeigt, dass es noch eine ganze Menge Leute gibt, denen der Fortgang des Protestes wichtig ist.
Mit der Losung »Gemeinsam gegen Sozial- und Bildungskahlschlag« haben sich die streikenden StudentInnen von Anbeginn in einen außeruniversitären sozialen Kontext gestellt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Diese Erfahrung war gut und wichtig. Es hat sich gezeigt, dass Studierende nicht allein auf die Straße gehen, um für ihre Interessen zu kämpfen. Wir haben Verbindungen zu anderen sozialen Gruppen, beispielsweise dem Berliner Sozialforum, und den Gewerkschaften, herstellen können. Wir hoffen aber, dass die anderen vom Sozialabbau betroffenen Gruppen künftig verstärkt auch mit eigenen Aktionen in Erscheinung treten - etwa durch Streiks.
Wie fällt Ihre Bilanz nach sechs Wochen Streik aus?
Wichtig ist vor allem, dass sehr viele junge Studierende, die keine großen politischen Vorkenntnisse hatten, für diesen Streik zu mobilisieren waren. Dazu hat es offenbar schon gereicht, als Erstsemester die schlechten Studienbedingungen kennen zu lernen. Ein großer Erfolg ist außerdem, dass laut Umfragen 83 Prozent der Berliner es für richtig halten, dass wir gegen die Hochschulmisere auf die Straße gegangen sind. Vielen Menschen ist bewusst geworden, dass die universitäre Bildung nach dem Kriterium ökonomischer Verwertbarkeit völlig umgekrempelt werden soll.
Und was habt ihr konkret auf der politischen Bühne erreicht?
Wissenschaftssenator Thomas Flierl und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit haben zugesagt, sich mit den streikenden Studierenden noch im Januar an einen runden Tisch zu setzen. Dabei wollen wir noch einmal klarstellen, dass wir uns die Hochschulkürzungen nicht bieten lassen. Dann wird sich zeigen, ob der Senat die Sache aussitzen will. Wir werden die Reaktionen des Senats genau beobachten.
Die Bundesregierung will neuerdings Eliteuniversitäten gründen, während das Geld an den Hochschulen gekürzt wird. Ist das kein Widerspruch?
Nein. Sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesländer arbeiten darauf hin, den Zugang zu den Hochschulen weiter einzuschränken. Die Eliteuniversitäten sollen zumindest den Privilegierten Zugang zu höherer Bildung verschaffen. Das begann ja schon mit der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen. Mit dem Bachelor soll die breite Masse der Studierenden in kürzester Zeit abgefertigt und ihr der Zugang zu höherer wissenschaftlicher Bildung verbaut werden. Die Selektion im Kindesalter wird an den Hochschulen also nahtlos fortgesetzt.
Wie soll es jetzt weitergehen?
Wir werden im Januar weitere Protestaktionen organisieren. Wir werden versuchen, alle, die für eine Fortführung des Streiks gestimmt haben, in die Aktionen einzubinden. Und wir hoffen natürlich, vor der letzten Haushaltsdebatte noch einmal großen Druck auf den Senat ausüben zu können.
Das Interview erschien ursprünglich in der jungen Welt vom 7. Januar 2004.