»Ich war vollkommen überrascht, als am Ende des letzten Semesters der Gebührenbescheid im Briefkasten lag«. Seit letzter Woche aber hofft Benedict, die 650 Euro von der Universität zurückzubekommen. Denn der Ende April vom Verwaltungsgericht Köln in einer Eilentscheidung gefällte Beschluss entspricht genau seinem Fall. Ein Fachrichtungswechsel innerhalb der ersten zwei Semester dürfe, so die Verfügung des Gerichtes, nicht anders beurteilt werden, nur weil er vor dem Inkrafttreten des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes erfolgt sei.
Genau hierzu hatte jedoch das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium die Hochschulen aufgefordert. Fachrichtungswechsel binnen der ersten beiden Semester werden ab Inkrafttreten des Gesetzes anerkannt, weiter zurückliegende Wechsel hingegen in die Gebührenberechnung einbezogen. Benedict, der im 14. Semester Politik, Geschichte und Historische Hilfswissenschaften studiert, befand sich bei der erstmaligen Erhebung der Studiengebühren im 16. Hochschulsemester und hatte somit nach Ansicht des Ministeriums die 650 Euro zu bezahlen (siehe Seite 1).
Er will jetzt sein Geld von der Universität zurückhaben und damit dem Rat des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) folgen, das die Musterklage eingereicht hat, die der Eilentscheidung des Kölner Gerichtes zugrunde liegt. »Ich konnte die Gebühren für das laufende Semester bezahlen, weil ich mir einen Notfallfonds angelegt habe«, beurteilt Benedict seine finanzielle Situation. Jetzt aber ist dieser aufgebraucht und Benedict muss wieder wesentlich mehr als Hilfspfleger im Nachtdienst arbeiten, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Für ihn, der sich zur Magisterprüfung anmelden will, eine vertrackte Situation: »Ich hatte meine Arbeitszeit deutlich reduziert. Dann war ich gezwungen, diese wieder hochzuschrauben.« Sollte er als Prüfungskandidat von der Gebührenzahlung befreit werden, hätte er geschafft, worauf er von Anfang an hoffte: Gerade noch rechtzeitig sein Studium gebührenfrei zu beenden - vorausgesetzt, die Eilentscheidung des Kölner Verwaltungsgerichtes bleibt bestehen.
Auf Walters Studium hat dieser Beschluss hingegen keine Auswirkungen. In den Fächern Anglistik, Mittlere und Neuere Geschichte und Germanistik hat er mittlerweile das 19. Fachsemester erreicht. Hätte er in diesem Semester schon die Studiengebühren zahlen müssen, dann hätte er das Studium wohl abgebrochen. Nachdem sein Job als Dozent an der Volkshochschule Neuwied wegrationalisiert wurde, wären die Gebühren der Tropfen gewesen, der bei seinem finanziellen Engpass das Fass zum Überlaufen gebracht hätte. »Gerettet« hat ihn ein vierwöchiges Praktikum in Bibliothek und Archiv des Deutschen Burgenverbandes, für den er 2002 schon als Touristenführer gearbeitet hat. Mit diesem Praktikum konnte er ein Urlaubssemester beantragen und muss so erst ab dem Wintersemester 2004/05 bezahlen. Jetzt ist er von Neuwied zu FreundInnen nach Köln gezogen, in der Hoffnung in diesem Semester mit zwei Jobs gleichzeitig die Gebühren für das weitere Studium ansparen zu können.
Walter kritisiert, dass mit den Gebühren die finanzielle Misere für viele zum Dauerzustand wird: »Die so genannten LangzeitstudentInnen sind oft gerade deswegen noch nicht mit ihrem Studium fertig weil sie nebenher arbeiten müssen um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Wenn man jetzt noch für die Gebühren arbeiten muss, dauert das Studium entsprechend noch länger oder man muss abbrechen.«
Anders sieht die Situation für Torben aus, der sich zum Sommersemester 2004 exmatrikuliert und eine dreimonatige Ausbildung als Rettungssanitäter begonnen hat. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in Politik, Mittlerer und Neuerer Geschichte, Osteuropäischer Geschichte und Geographie im 14. Semester. Eigentlich hätte er somit noch ein Semester gehabt - wären da nicht die vier Semester Biologie und Chemie in Bonn gewesen. »Für mich waren die Gebühren der Anlass, über die Rolle des Studiums und meine Zukunftsplanung nachzudenken«, betont er mit ernster Miene.
Das Geld für die Gebühren hätte er vielleicht mühevoll aufbringen können, aber dies war nicht mehr der entscheidende Aspekt: »Ich stand vor der Wahl, entweder mein Studium schnell zu beenden und trotzdem bis zum Abschluss noch viel Geld zu investieren oder mein Leben nach meinen Vorstellungen zu organisieren.« Für Torben stand bereits während seines Studiums Bildung an sich im Vordergrund und nicht der Wert des Studiums für die Wirtschaft. Gerade diese bildet jedoch seiner Meinung nach den Hintergrund für die Gebühreneinführung: »Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat beschlossen, Bildung an sich nicht mehr uneingeschränkt fördern zu wollen. Für mich ist das der falsche Weg.«