Ende letzten Jahres wurde der Paragraf 129a des Strafgesetzbuches novelliert. Der Paragraf stellt die Bildung und Unterstützung einer so genannten terroristischen Vereinigung unter Strafe. Während die rot-grüne Bundesregierung einzelne Teile der Novelle als »Liberalisierung« feierte, meldeten die Presseagenturen »Koalition verschärft Anti-Terror-Gesetze.« Fest steht: Die Neuregelung ist wieder einmal ein Fall von EU-harmonisierter Repression.
Ähnlich wie bei der Einführung des Paragrafen 129b vor zwei Jahren, der die strafrechtliche Verfolgung einer »terroristischen Vereinigung« aus dem Ausland in Deutschland möglich macht, wird mit der Novellierung des Paragrafen 129a eine europäische Vorgabe umgesetzt. Wie der Rechtsausschuss des Bundestages in seiner Beschlussempfehlung noch einmal betonte, hatte der Rat der Europäischen Union die Mitgliedsstaaten im Juni 2002 »unmissverständlich« aufgefordert, »ihr strafrechtliches Instrumentarium an die Herausforderungen des internationalen Terrorismus anzupassen.« Dabei vergaß die rot-grüne Ausschussmehrheit allerdings hinzuzufügen, dass es nicht unwesentlich die Bundesregierung selbst war, die diesen repressiven Handlungsdruck hervorgebracht hat.
Wie bisher gilt die Strafandrohung bei »terroristischen Vereinigungen« uneingeschränkt, wenn ihnen schwere Straftaten wie Mord, Geiselnahme oder Entführung zugerechnet werden. Neu eingeführt wurde allerdings der Nachweis einer »terroristischen Absicht« für die übrigen Katalogstraftaten, durch die diese erst zu »terroristischen« Aktionen im Sinne des Gesetzes werden.
Für das Vorliegen einer »terroristischen Absicht«, muss eine Tat dazu geeignet sein, »die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen.« Die Tat muss zudem so angelegt sein, dass sie »durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.«
Bei dieser Gelegenheit wurde der Straftatenkatalog des Paragrafen 129a auch gleich ausgeweitet. Er umfasst nun unter anderem auch Computersabotage, die Zerstörung von Bauwerken, die Störung von Telekommunikationsanlagen und schwere Körperverletzung. Vor allem aber wird beim Strafmaß für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung die Höchststrafe von bisher fünf Jahren auf zehn Jahre angehoben. Neu ist auch, dass schon alleine die Androhung von Straftatbeständen mit terroristischer Absicht mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu belegen ist.
Der Paragraf 129a steht schon lange in der Kritik. »Die Definition war uferlos. Viele wurden verdächtigt - für eine Verurteilung reichte es selten«, bilanzierte die grüne Bundestagfraktion die bisherige Anwendung. Zurecht: In den Achtzigerjahren kam es mit der Neufassung des Paragrafen 129a zu einer regelrechten »Terroristen-Vermehrung per Gesetz und Rechtsprechung«, so der Rechtsanwalt und Polizeikritiker Rolf Gössner. Nun fielen auch autonome Gruppen und militante AKW-GegnerInnen unter den Terror-Begriff, in den Neunzigerjahren auch die Antifa. »Von 1980 bis 1989 wurden gegen fast zehntausend verdächtige Personen über 3300 Verfahren eingeleitet«, berichtet Gössner. Erleichtert wurde dies durch die Kriminalisierung von Aktionen wie Schienenbesetzungen und Verkehrsstörungen. In den Neunzigerjahren wurden gegen 1362 Personen teilweise mehrfach Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a eingeleitet. Dieser Zahl stehen für den gleichen Zeitraum 38 Verurteilungen gegenüber.
Nach Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der PDS kam es im Zeitraum zwischen 1996 und 2000 in etwa 95 Prozent der Verfahren nicht zur Anklage. Zum Vergleich: Die so genannte Anklagequote liegt normalerweise bei 45 Prozent. Dieses eklatante Missverhältnis zeigt deutlich den Charakter des Paragraf 129a als Ermittlungsparagrafen. Ausforschen und Kontrolle unliebsamer politischer Spektren ist seine eigentliche Funktion.
Aber anstatt sich - wie in der Opposition - für die Abschaffung einzusetzen, verkündeten die Bundesgrünen nun stolz: »Künftig kommt es auf den terroristischen Hintergrund der Vereinigung an.« Wie es in einem internen Papier heißt, glauben die grünen RechtsexpertInnen, dass künftig die Festsetzung von Personen nicht mehr möglich sei, »wenn sich der Verdacht auf eine Vereinigung bezieht, deren Aktivitäten nicht so gravierend sind, dass sie geeignet sind, den Staat insgesamt oder eine internationale Organisation zu gefährden.«
»Autonome Kleingruppen, die Gewalt gegen Sachen begehen, können künftig kaum noch als Terroristen stigmatisiert werden«, hofft auch Christian Rath in der taz. Festzustellen ist, dass nun erstmals definiert ist, was unter »terroristisch« zu verstehen ist, womit einer alten Forderung bürgerrechtlicher KritikerInnen entsprochen wurde. Viel ist damit jedoch nicht gewonnen. Die Definition ist so weit gefasst, dass sie weiterhin flexibel nach politischen Erwägungen ausgelegt werden kann.
Bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags kritisierten mehrere Sachverständige die Verwendung unbestimmter und deshalb dehnbarer Rechtsbegriffe wie etwa »schwerwiegende Einschüchterung«. Diese würden in der Praxis zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Durch die erhebliche Ausweitung des Straftatenkatalogs wird es zudem reichlich Möglichkeiten geben, die sich aus dem Paragrafen 129a ergebenden weit reichenden Sonderbefugnisse gegen Verdächtige großzügig anwenden zu können. Ein Anfangsverdacht der schweren Körperverletzung oder der Störung von Telekommunikationsanlagen in »terroristischer Absicht« wird sich von kreativen ErmittlerInnen leicht konstruieren lassen. Es bedarf nicht allzu viel Fantasie, sich vorzustellen, dass deshalb auch in Zukunft vielfältige Formen des politischen und sozialen Protests erfasst werden können, wenn es politisch opportun erscheint.
Wer zudem glaubt, dass die Neufassung alleine auf die »Herausforderungen des internationalen Terrorismus« zurückgeht, täuscht sich. Vielmehr geht es darum, die zentrale Strafnorm des politischen Sonderstrafrechts neu zu justieren - und damit auch auf veränderte politische und soziale Widerstandsformen in der Bundesrepublik zu reagieren. Alles in allem bleiben die Paragrafen 129a/b die Anknüpfungspunkte für eine lückenlose polizeiliche Überwachung eines verdächtigen politischen Spektrums und für die Aushöhlung strafprozessualer Rechte von Beschuldigten und Angeklagten.
Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift analyse + kritik Nr. 482, www.akweb.de.