Teutschenthal heißt der Ort, in dem Schultze Gets the Blues spielt. Dort geht es sehr »teutsch« - die alte Schreibweise für deutsch - zu. Man glaubt sich nicht nur in die tiefste Provinz sondern auch um einige Jahrzehnte zurück versetzt. Hier ist die Kirche noch im Dorf und der Musikverein spielt ausschließlich teutsche Musik. Das ausdauernde Klingeln an einem zu lange geschlossenen Bahnübergang, um den Beamten zum Öffnen der Schranken zu bewegen, ist das Rebellischste, was die teutschen Teutschenthaler zu bieten haben. Ansonsten herrscht im südlichen Sachsen-Anhalt Ruhe und Ordnung.
Auch Schultze und seine beiden Kumpels sind tief in dieser teutschen Biederkeit verwurzelt. Sie putzen ihre Gartenzwerge, pflegen ihren Schrebergarten, angeln, trinken ihr Herrengedeck in der Dorfkneipe und spielen dort Skat. Im Musikverein spielt Schultze auf dem Akkordeon die Polka, die dort auch bereits sein Vater gespielt hat. Das erwarten seine Mitmusikanten einfach von ihm. So scheint in Teutschenthal alles in schönster Ordnung zu sein, bis Schultze eines Abends das Radio anstellt. Dort hört er Akkordeonklänge, die so ganz anders sind als die Teutschenthaler Polka. Die Cajun-Melodie, die aus afrikanischen, französischen und Country-Elementen entstanden ist, geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und schließlich beginnt er, sie nachzuspielen.
Die Ereignisse nehmen ihren Lauf, als Schultze auf dem Jubiläumsfest des Musikvereins seine neue musikalische Errungenschaft vorführt. Der Teutschenthaler sind entsetzt, »Negermusik« schallt es aus dem Saal - seit den Zwanzigerjahren in Deutschland das vernichtendste Urteil über Jazz. Trotz oder gerade wegen Schultzes Auftritt schickt ihn jedoch der Teutschenthaler Musikverein in die Partnerstadt New Braunsfeld in Texas/USA. Dort aber ist Schultze nicht am Ziel seiner Träume, denn auf dem örtlichen Musikfest wird gejodelt, Blasmusik gespielt und zum Schluss ertönt gar die teutsche Nationalhymne. Schultze flieht mit einem Boot in die Heimat des Cajun - nach Louisiana. Trotz fehlender Englischkenntnisse kommt er gut zurecht und landet schließlich auf einer Cajun-Party.
Der Film verbreitet einen melancholischen Optimismus. Trotz der dargestellten Tristesse zeigt er mehrere Charaktere, die sich nicht unterkriegen lassen. An erster Stelle Schultze, dessen Vornamen wir nicht erfahren. Während seiner Odyssee sieht man den unspektakulären, ländlichen Teil der USA, der in Hollywood-Filmen meistens nicht zu sehen ist. Die Menschen stehen im Mittelpunkt. Geredet wird nicht viel, Gesten reichen oft aus. Der Film fängt Stimmungen eher durch Bilder als durch Worte ein und das gelingt sehr überzeugend. Nach ein paar Aufnahmen von Teutschenthal weiß man, dass man in der tiefsten deutschen Provinz ist. Ähnlich eingefangen wird auch die amerikanische Provinz. Sie wirkt aber weniger deprimierend, weil sie für Schultze auf seinem Boot Befreiung aus der Enge bedeutet, in der er bisher gelebt hat. Die letzte Szene des Films ist die schönste. Teutschenthal hat sich zum Besseren verändert und Schultze hat dazu beigetragen.
Schultze Gets the Blues, BRD 2003. Buch, Regie: Michael Schorr. DarstellerInnen: Horst Krause u.a.. Seit 22. April in den Kinos.