»Castro gestürzt!« Als diese Meldung vor wenigen Wochen über die Nachrichten-Ticker lief, wurden in den Redaktionsstuben US-amerikanischer Zeitungen wahrscheinlich sofort alle Griffel gespitzt. Bestand doch nach unglaublich langen 45 Jahren die Möglichkeit, dass der kubanische Staatschef endlich das Zeitliche segnet - zumal in diesem hohen Alter und nach den tagelang spärlichen Informationen über seinen Gesundheitszustand. Welch eine Enttäuschung muss es nach Tagen der Hoffnung gewesen sein, dass die Nachrufe auf das »sozialistische Ungeheuer«, das 1959 die Frechheit besessen hatte, sich im »Hinterhof« der USA einzunisten, wieder in der Schublade verschwinden mussten.
Man muss sich das einmal vorstellen. Die ersten Nachrufe auf Castro wurden - wahrscheinlich noch 1959 - auf Schreibmaschinen geschrieben, die heute höchstens noch auf Flohmärkten oder antiquarischen Messen zu erwerben sind. Und dazu diese ständigen Aktualisierungen: 1961 die Invasion in der Schweinebucht. Und wenig später die Kuba-Krise. Dazu noch die Nachrufe, die immer wieder dazwischen geschoben werden mussten - reale auf John F. Kennedy und Richard Nixon beispielsweise oder politische auf Gerald Ford, Jimmy Carter und wie die US-Präsidenten noch so alle hießen. Und Castro? Immer wieder totgesagt, aber immer noch fidel. Jede Menge nervige Fummelarbeit also, die Castro den PraktikantInnen in den Redaktionen jahrein jahraus beschert.
Wäre Castro wenigstens der Einzige, der zwischendurch immer mal wieder in Form gebracht werden muss. Aber nichts da! Es gibt ja auch noch Johannes Paul II. Bei jedem Zipperlein öffnet die Volontärin den Aktenschrank und bringt Version 20b der Huldigung mit zwei oder drei neuen Zeilen in Richtung Druckreife. Und wer stirbt? Jacques Derrida! Den Papst also wieder im Schrank verstauen, Derrida herausfischen, schnell was dazukritzeln und ab damit zum Layout. Wie? Unter D wie Derrida ist nichts zu finden. Mist! Wieder nichts zu lernen. Denn wirklich schreiben darf nur der Chef.