Sabine Kiel arbeitet als Öffentlichkeitsreferentin beim Studentenwerk Hannover. Seit Jahren wertet sie die Ergebnisse der alljährlichen Sozialerhebungen der Studentenwerke aus, mit Hannover und Niedersachsen als Schwerpunkt. Für die philtrat sprach Nicola Milani mit ihr über das Zustandekommen und die Ergebnisse der aktuellen 17. Sozialerhebung.
Frau Kiel, um was genau handelt es sich bei der Sozialerhebung?
Die Sozialerhebung gibt es seit Anfang der Fünfzigerjahre. In ihr wird versucht, die sozialen Daten von Studierenden so aufzubereiten, dass man mit ihnen politisch arbeiten kann. Es geht beispielsweise um Zahlen darüber, wie viele Männer und Frauen studieren, wo sie wohnen, was sie ausgeben, wo sie ihr Geld herbekommen. Es handelt sich also quasi um einen studentischen Sozialatlas, der unter anderem sehr wichtig für die politische Arbeit der Studentenwerke ist.
Also geht es darum, den Studentenwerken zu helfen?
Bei Informationen über die Sozialstruktur, ja. Wenn beispielsweise viele Studierende, wie es bis vor einigen Jahren der Fall war, weniger BAföG bekommen haben, dann konnten wir - oder auch die Parteien und studentischen Verbände - die Zahlen vorweisen, die genau dies belegten. Die Sozialerhebung liefert dafür eine Datengrundlage.
Wie erhalten Sie Ihre Ergebnisse?
Mithilfe einer Umfrage unter StudentInnen. Bundesweit waren bei der letzten Erhebung 251 Hochschulen beteiligt, und etwas über 21000 Studierende wurden befragt.
Wie werden diese ausgewählt?
Die Studierenden werden per Zufallsstichprobe zusammen mit den Immatrikulationsämtern oder Studierendensekretariaten ausgewählt. Wobei darauf geachtet wird, dass es eine ungefähre Übereinstimmung mit den statistischen Daten der Landesämter gibt, damit man nicht etwa fünfzig Prozent SozialwissenschaftlerInnen hat. In Hannover haben wir vierhundert Befragte gehabt, die sich entsprechend je nach Struktur auf die Hochschulen verteilen. Es gibt zum Beispiel etwa zehn Prozent Fachhochschulstudierende, und ungefähr so viele haben wir auch für die Sozialerhebung befragt.
Haben sich die jetzigen Ergebnisse von denen der letzten Erhebung unterschieden?
Erstmalig studieren bundesweit über zwei Millionen Menschen. Der Anteil derjenigen, die ein Studium anfangen, ist also deutlich gewachsen. Das liegt allerdings vor allem daran, dass sich die Bildungsbeteiligung in den vergangenen Jahren verändert hat. Interessanterweise geht das auf Kosten der Männer, denn immer mehr Frauen machen Abitur. Waren es in den Siebzigerjahren noch vor allem Männer, die einen Hochschulzugang erworben und ein Studium angefangen haben, so hat sich das jetzt genau umgekehrt: Über die Hälfte der StudienanfängerInnen sind Frauen. Und es würden noch mehr Frauen ein Studium überhaupt in Betracht ziehen, wenn es ein entsprechendes Fächerangebot gäbe; so fehlen etwa an den Fachhochschulen die neuen Gesundheits- und Sozialstudiengänge. Seit der Pisa-Studie schreien alle, wir hätten viel zu wenige StudentInnen - politisch wird die Vierzig-Prozent-Marke angestrebt - aber dann müsste man die Hochschulen auch entsprechend umstrukturieren, damit die Bedürfnisse gedeckt werden können.
Laut der letzten OECD-Bildungsstudie erwerben jedoch nur 43 Prozent eines Jahrgangs überhaupt eine Hochschulzugangsberechtigung.
Selbst dieses Potenzial wird nicht wirklich ausgeschöpft. In Nordrhein-Westfalen ist der Anteil der studienberechtigten 18- bis 21-Jährigen, die tatsächlich ein Studium aufnehmen, nicht sehr hoch. Er ist zwar seit der letzten Erhebung gestiegen und liegt jetzt bei 71 Prozent, aber im bundesweiten Vergleich liegt NRW eher im unteren Bereich. Dabei hat dieses Land jedoch mit einem Viertel den größten Anteil an allen Studierenden und auch das größte Angebot. Man kann also gut fordern, dass die Hochschullandschaft in NRW ausgebaut wird.
Und die Zugangsberechtigung erweitert wird?
Ja. Es beginnen mehr junge Menschen mit Abitur ein Studium, der Anteil von Studierenden mit Fachabitur liegt unverändert bei neun Prozent und der fachgebundenen Hochschulreife bei knapp drei Prozent. Im Bereich des Seniorenstudiums, oder wenn jemand nach jahrelanger Arbeit oder Kindererziehung ein Studium beginnen möchte, sollte jedoch die Möglichkeit ausgebaut werden, fachspezifisch an die Hochschule heranzukommen. In diesem Bereich steckt Deutschland noch in den Kinderschuhen. Diese so genannten nicht-traditionellen Zugangswege könnten deutlich stärker ausgebaut werden.
Können Sie speziell etwas zu den Kölner Ergebnissen sagen?
Im Durchschnitt wenden die Kölner StudentInnen 41 Stunden pro Woche für ihr Studium auf, also für Veranstaltungen und Selbststudium. Bundesweit sind es 42 Stunden. In Köln kommen dazu noch zehn Stunden Erwerbstätigkeit. In Großstädten sind besonders viele Studierende nebenbei erwerbstätig, in Köln über siebzig Prozent. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Studienzeit aus. Die monatlichen Einnahmen liegen in Köln bei durchschnittlich 800 Euro. In Großstädten ist das aufgrund der teuren Mieten, die etwa ein Drittel der Kosten betragen, normal. In Köln zahlen Studierende durchschnittlich 297 Euro Miete, womit Köln im bundesdeutschen Vergleich auf Platz Fünf landet. An der Spitze steht Frankfurt mit 325 Euro.
Alle Daten der Sozialerhebung: www.sozialerhebung.de.