Verhöhnung von NS-Opfern

»Freie Kameradschaften« demonstrieren in Leverkusen Von Pascal Beucker

Ihre Fackeln durften sie nicht entzünden. Doch auch ohne diese Accessoires boten sie ein ebenso gespenstisches wie makabres Schauspiel: Am 9. November zogen rund achtzig RechtsextremistInnen unter dem Motto »Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung!« bei strömendem Regen grölend durch Leverkusen. Angeführt von dem einschlägig vorbestraften Bergheimer Neonazi Axel Reitz skandierten sie am Jahrestag der Reichspogromnacht bei ihrem Marsch durch die Stadt des Nachfolgekonzerns der IG Farben, der Bayer AG, Parolen wie »Die schönsten Nächte sind aus Kristall« und »Nie wieder Israel!«

Durch den Aufmarsch erschien die Gegend um den Bahnhof Leverkusen-Mitte, wo sich die AktivistInnen aus der Szene der »Freien Kameradschaften« und auch NPD-AnhängerInnen gegen 19 Uhr versammelt hatten, wie im Belagerungszustand. Weiträumig hatte die Polizei Absperrungen aufgebaut. Auch die Bundesstraße 8 wurde im Bereich Leverkusen-Wiesdorf für mehrere Stunden gesperrt. Sogar der Zugverkehr ruhte kurzzeitig. 850 BeamtInnen waren im Einsatz, um handfestere Auseinandersetzungen zwischen den Nazis und mehreren hundert antifaschistischen GegendemonstrantInnen zu verhindern.

So konnten die braunen GesellInnen denn auch weitgehend ungestört durch die City marschieren. Nur vereinzelt flogen Eier und Knallkörper. Laut Polizei wurde ein Beamter von einem »Kieselstein« leicht verletzt. Ein 19-jähriger Gegendemonstrant wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen, da er einen Platzverweis nicht befolgen wollte. Ansonsten habe es jedoch keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Um 22.30 Uhr war der Spuk endlich vorbei.

Erst am Montag hatte das Verwaltungsgericht Köln ein Demonstrationsverbot der Polizei aufgehoben, allerdings verhängte es einige Auflagen. So untersagte es Fackeln, Trommeln und Uniformen ebenso wie Fahnen und Transparente »strafbaren Inhalts« sowie »Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen«. Anders jedoch als noch bei der Nazi-Demonstration Mitte Oktober in Köln-Kalk unterblieb indes ein ausdrückliches Verbot der Glorifizierung und Verharmlosung des NS-Regimes.

Eine Chance, die sich Reitz & Co. nicht entgehen ließen. Auf ihrer Kundgebung auf dem Ludwig-Erhard-Platz priesen gleich mehrere Redner die »Segnungen« des Dritten Reiches und leugneten die Verbrechen des Nationalsozialismus. So bewahrheitete sich, was der Kölner Publizist und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano vorausgesagt hatte: »Die Nazizusammenrottung in Leverkusen am 9. November hat die klar erkennbare Absicht, die Opfer jener Mordnacht zu verhöhnen und sich zu ihren Mördern zu bekennen.«

Dieser Artikel erschien zuerst in der taz köln, www.taz-koeln.de.