Mit Jenseits des Eurozentrismus versuchen Sebastian Conrad und Shalini Randeria den deutschsprachigen Geschichts- und Kulturwissenschaften einen Forschungsansatz näher zu bringen, der sich im anglo-amerikanischen Wissenschaftsbetrieb in den Achtziger- und Neunzigerjahren herausgebildet und inzwischen fest etabliert hat: die so genannten Postcolonial Studies.
Innerhalb dieser interdisziplinären Forschungsrichtung, die maßgeblich von den Literaturwissenschaften geprägt wurde, steht der »Terminus postkolonial sowohl für eine spezifische historische Periodisierung als auch für eine besondere Form des theoretischen Ansatzes und der Analyse«, so die beiden HerausgeberInnen in der Einleitung.
Zum einen thematisieren die Postcolonial Studies das »Fortbestehen und Nachwirken einer Vielzahl von Beziehungsmustern und Effekten kolonialer Herrschaft«. Zum anderen umfassen sie aber auch eine erkenntnistheoretische Dimension: die »Dekonstruktion und Verabschiedung zentraler Annahmen des kolonialen Diskurses« in Form einer »Kritik an binären Oppositionen und der Stabilität fundierender Gegensatzpaare«, darunter auch das Paar KolonisatorInnen und Kolonialisierte. Stattdessen nehmen postkoloniale Untersuchungen politische, soziale und kulturelle Wechselwirkungen und Verflechtungen in den Blick und legen ihren Schwerpunkt auf eine im doppelten Sinne »geteilte Geschichte«.
Conrad und Randeria haben insgesamt elf Beiträge versammelt, die mehrheitlich Übersetzungen zentraler Beiträge aus dem Bereich der Postcolonial Studies sind und die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Bandes zumeist noch nicht auf Deutsch vorlagen. Die Auswahl beinhaltet sowohl programmatische Aufsätze wie Stuart Halls Wann gab es »das Postkoloniale«?, als auch theoretisch-reflexive wie Ann Laura Stolers Foucaults »Geschichte der Sexualität« und die koloniale Ordnung der Dinge. Es finden sich auch fallbezogene Darstellungen wie Michel-Rolph Trouillots Untersuchung zur Undenkbaren Geschichte der Verbindung der Haitianischen mit der Französischen Revolution oder John und Jean Comaroffs Hausgemachte Hegemonie, eine Analyse des Zusammenhanges zwischen bürgerlichen Wertvorstellungen und kolonialer Ordnung.
Mit dieser Auswahl halten sich historisch-exemplarische Darstellungen und theoretisch-reflexive Untersuchungen die Waage, und das Buch repräsentiert damit die Bandbreite der Postcolonial Studies. Besonders die Einleitung der beiden HerausgeberInnen besticht als eine der kompaktesten und gleichzeitig verständlichsten Einführungen in das Forschungsgebiet der Postcolonial Studies in deutscher Sprache.
Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Campus Verlag, Frankfurt 2002, 24,90 Euro.