»Wir sind im Souterrain angekommen«, beschrieb Ute Kötter, Professorin am Institut für soziales Recht der Kölner Fachhochschule, den Charakter der Hartz IV-Gesetze vor den rund zweihundert TeilnehmerInnen der Fachtagung »Hartz IV - eine Bestandsaufnahme aus Sicht der Sozialen Arbeit« am 10. Juli diesen Jahres in der Fachhochschule Köln. Die Gesetze hätten vielen Betroffenen empfindliche Einkommensverluste beschert. Damit sei der Umbau des Wohlfahrtsstaats jedoch noch nicht zu Ende, so Kötter weiter.
Gerd Sadowski, Lehrkraft an der Fachhochschule Köln, beschrieb die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeiten innerhalb der von Hartz IV betroffenen Lebensgemeinschaften. Neben den Arbeitslosen müssen auch ihre LebenspartnerInnen zunächst Ersparnisse verbrauchen, bis ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II besteht. Sadowski forderte eine kritische Untersuchung der mit den verschärften Zumutbarkeitsregeln einhergehenden »Dequalifizierungs- und Verarmungsprozesse« durch die Sozialarbeitsforschung. Dabei müssten die strukturellen und regionalen Ursachen der Massenerwerbslosigkeit vor allem den Betroffenen gegenüber verdeutlicht werden. Im gesellschaftlichen Reden über Arbeitslosigkeit, sei es in den Medien oder der Politik, würde diese zunehmend als persönliches Versagen der Arbeitslosen beschrieben. Und auch die Mehrheit der Langzeitarbeitslosen, rund achtzig Prozent und vor allem Frauen, schrieben ihre Situation eigenem Versagen zu. Stattdessen sollten, so Sadowski, auch Familienarbeit sowie gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeit als differente Arten von Arbeit und Leistung gesellschaftliche Anerkennung genießen. Schließlich obliege es der Wissenschaft, Instrumente zur Aktivierung der Erwerbsarbeitslosen mit den Betroffenen selbst zu entwickeln und die gesellschaftliche Partizipation der Betroffenen zu befördern.
Ute Kötter erörterte die juristischen Implikationen von Hartz IV. Sie führte einige rechtliche Bedenken an. So lasse die »durchnormierte und pauschalisierte Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts« den sozialhilferechtlichen Individualisierungsgrundsatz außer Acht, kritisierte Kötter. Der Individualisierungsgrundsatz legt fest, dass Hilfe nach dem Einzelfall zu leisten ist. Zudem, so Kötter weiter, müsse sich die neue Maxime des »Förderns und Forderns« aus verfassungsrechtlicher Sicht an der Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts messen. Das Gericht hatte in den Fünfzigerjahren verfügt, niemand dürfe zum bloßen Objekt staatlicher Gewalt gemacht werden. Die Subjektstellung der BürgerInnen, so das Gericht, verbiete die unbefristete Bestrafung, wenn eine Pflicht zur Mitwirkung nicht befolgt würde. Sie spreche ebenso gegen eine Beschäftigung von LeistungsempfängerInnen, die nicht auch zugleich wenigstens der individuellen Weiterentwicklung und Qualifizierung und der Schaffung neuer Chancen auf dem Arbeitsmarkt diene, führte Kötter aus.