Muro Tukia lebt in einem kleinen Dorf im südindischen Distrikt Warangal. Er zählt die Baumwollkapseln an einer seiner Pflanzen. Es sind mehr als neunzig Kapseln und er ist sich sicher, dass es eine gute Ernte wird. Er hat beim Anbau auf die lokalen Sorten gesetzt und verzichtet darauf, chemische Pestizide und Kunstdünger zu verwenden. Seine KollegInnen in den Nachbardörfern haben weniger Glück gehabt - sie haben das gentechnisch manipulierte Saatgut von Monsanto gepflanzt, so genannte BT-Baumwolle, welche die Pflanzen gegen ihren schlimmsten Feind, den Baumwollkapselwurm, resistent machen soll. »Wir haben Beschwerden erhalten, dass die BT-Baumwolle von Monsanto nicht gedeiht, 25000 Morgen Land sind betroffen«, sagt Shri Raghuveera Reddy, der Agrarminister des Bundesstaates. Es gäbe, fährt er fort, zwei unterschiedliche Versionen: »Die Bauern sagen, es ist schlechtes Saatgut. Der Konzern behauptet: Das stimmt nicht, denn in anderen Regionen gedeiht es ja - es liegt an der fehlenden Feuchtigkeit.«
Die BaumwollfarmerInnen in Warangal und anderen Distrikten stecken seit Jahren in einer Schuldenkrise. Monokulturen, die so genannte Grüne Revolution und fallende Exportpreise haben vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen ruiniert. Sie investierten jährlich mehr Geld in Pestizide und Kunstdünger - ohne Erfolg. Allein im vergangenen Jahr haben sich mehr als zweitausend von ihnen aus Verzweiflung das Leben genommen. Tageszeitungen schreiben über die »killing-fields«, wenn sie über die Selbstmorde in den Baumwollregionen des Bundesstaates berichten.
»Die Einführung der BT-Baumwolle wurde von einer groß angelegten Werbekampagne, Flugblättern, Fernseh- und Radioauftritten ihrer Protagonisten begleitet«, so Agrarminister Shri Raghuveera Reddy, »die Bauern bräuchten keine Pestizide mehr, die Pflanze sei gegen alle Schädlinge resistent. Das war die Propaganda. Aber die Wahrheit ist, dass diese Pflanze nur gegen wenige Schädlinge resistent ist. Hätten sie die Farmer richtig informiert, hätte die Firma jetzt keine Probleme.« Nach Schätzungen des Agrarministeriums ist in der vergangenen Saison die Ernte für zehn- bis zwölftausend Familien ausgefallen. »Dafür ist das Unternehmen verantwortlich«, erklärt der Minister.
Nach den schlechten Erfahrungen des vergangenen Jahres und auf Druck der Bauernorganisationen und der Regierung in Andhra Pradesh hat sich das »Genetic Engineering Approval Committee«, eine indische Bundesbehörde mit Sitz in Neu Delhi, Anfang Mai dazu durchgerungen, die Genehmigung für drei Sorten des BT-Saatgutes des Monsanto-Konzerns nicht zu verlängern. Das Verkaufsverbot der Zentralbehörde in Neu Delhi gilt jedoch mit Ausnahme einer Sorte nur für den Bundesstaat Andhra Pradesh, nicht für andere Bundesstaaten in Indien.
In Andhra Pradesh haben sich zahlreiche Bauernverbände und Nichtregierungsorganisationen gegen die gentechnischen Produkte gewehrt. Die »Coalition in Defence of Diversity«, ein Zusammenschluss von 140 Organisationen in Andhra Pradesh, hat vor wenigen Wochen eine vergleichende Langzeituntersuchung über die BT-Baumwolle mit 220 Bauern in 28 Dörfern veröffentlicht. Die Untersuchung widerlegt die Behauptungen des Konzerns Monsanto: Die Bauern und Bäuerinnen mussten ebenso viele Pestizide einsetzen wie ihre KollegInnen, die herkömmliche Baumwolle gepflanzt hatten. In den drei Jahren haben sie sechzig Prozent weniger verdient, weil die BT-Baumwolle teurer als das herkömmliche Saatgut ist und mehr Dünger und Wasser benötigt. Die Regierung in Andhra Pradesh hat Monsanto aufgefordert, den Bauern 8,5 Millionen Euro als Entschädigung zu zahlen. Ohne Erfolg. Nach Angaben der »Coalition in Defence of Diversity« geht sogar der Verkauf des Saatguts in den ländlichen Regionen trotz fehlender Genehmigung weiter. Monsanto hat außerdem zwanzig indische Unternehmen als Lizenznehmer für seine BT-Baumwolle gefunden und zudem angekündigt, eine »BT-Baumwolle II« auf den Markt zu bringen. Die »Coalition in Defence of Diversity« begrüßt die Haltung ihrer Regierung und fordert sie auf, durchzugreifen und Andhra Pradesh so bald wie möglich zur ersten gentechnikfreien Zone in Asien zu machen.
Gerhard Klas arbeitet im Rheinischen JournalistInnebüro und verbrachte letztes Jahr einige Monate in Indien.