»Ein Mann oder eine Frau können ihre Existenz - wenn sie denn unbedingt Freiheit atmen möchten - nur in der Hoffnungslosigkeit beginnen. Aus diesem Zustand versuchen sich die Kinder des Kollaps heute zu befreien.«
Mit diesem Zitat ist der Ausgangspunkt des Buches von Camille de Toledo Goodbye Tristesse benannt. In diesem großen Essay hat der Autor den Versuch unternommen, die Möglichkeiten der Revolte in den Zeiten nach dem absoluten Sieg des Kapitalismus und seiner neoliberalen Ideologie auszuloten. De Toledo definiert seine Generation als die »Kinder des Doppelkollaps«, die zwischen dem Fall der Berliner Mauer und dem Einsturz der Türme des World Trade Center erwachsen wurde. »Zwischen den Einstürzen habe ich begriffen, dass Erwachsenwerden nichts anderes bedeutet, als den Kapitalismus zu erlernen.«
In einem weiten Bogen schildert er die Aneignung von Wirklichkeit und die Produktion von Realität in der globalisierten und sich immer weiter vernetzenden Welt. So zeichnet er ein Bild von der Ideengeschichte der sozialen Bewegungen in den letzten Jahrzehnten. Seine Darstellung der Wirtschaft, die die Fähigkeit hat, Opposition und Revolte für kommerzielle Interessen zu instrumentalisieren, ist klarsichtig und streckenweise äußerst unterhaltsam.
Das alles gelingt de Toledo in einem gut lesbaren Stil, der es auch den nicht vorgebildeten LeserInnen ermöglicht, seiner Argumentation zu folgen. Die sehr persönliche Vorgehensweise erleichtert jedoch nicht nur die Identifikation mit dem Autor, sie ist gleichzeitig eine Schwäche des Textes, der aus einem linksintellektuellen, bürgerlichen Blickwinkel argumentiert und so wichtige Aspekte des globalisierten Kapitalismus vernachlässigt. Auch die Schlussfolgerungen aus seiner Analyse gehen letztendlich nicht weit über das hinaus, was Hakim Bey, den er ausführlich zitiert, bereits in seinem Buch T.A.Z, das bedeutet temporäre autonome Zone, als Konzept angedacht hat.
Ungeachtet dieser Schwachstellen ist Goodbye Tristesse ein wichtiges Buch, unterläuft es doch den neoliberalen Konsens, der sich in den letzten Jahren auch in Deutschland überall durchgesetzt zu haben scheint. Eine spannende und unterhaltsame Lektüre für alle, die unter der aktuellen Verfasstheit der »Architektur der neuen Weltordnung« leiden, und für die sich Politik nicht in Genörgel über »die da oben« erschöpft.
Camille de Toledo: Goodbye Tristesse. Bekenntnisse eines unbequemen Zeitgenossen, Tropen Verlag, Berlin 2005, 18,90 Euro.