Die Frau in dem kleinen Laden im Kölner Stadtteil Holweide ist sichtlich nervös angesichts der auf sie gerichteten Fernsehkamera. Der Prozess sei sinnlos, sagt sie mit unsicherer Stimme. Er hätte früher stattfinden müssen und nicht erst knapp 35 Jahre nach Kriegsende, schiebt sie als Begründung nach.
Das Interview mit der Kölnerin ist eines von zahlreichen zeitgenössischen Videos, die zurzeit in der Ausstellung zum Lischka-Prozess im NS-Dokumentationszentrum zu sehen sind. Benannt ist das Verfahren, das zwischen Oktober 1979 und Februar 1980 vor dem Kölner Landgericht stattfand, nach dem ehemaligen SS-Mitglied Kurt Lischka. Als Pariser Polizeichef war er zwischen November 1940 und Oktober 1943 für die Deportation und Ermordung von mindestens 73000 französischen Juden und Jüdinnen verantwortlich. Neben Lischka, der bereits 1950 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, saßen mit Herbert Hagen und Ernst Heinrichsohn zwei weitere ehemalige SS-Offiziere auf der Kölner Anklagebank. Mit dem Urteil vom 11. Februar 1980 wurden erstmals deutsche Täter rechtskräftig von einem bundesdeutschen Gericht für die Beteiligung an der »Endlösung der Judenfrage« in Frankreich zur Rechenschaft gezogen. Die Urteile lauteten auf zehn Jahre Haft für Lischka und zwölf beziehungsweise sechs Jahre für Hagen und Heinrichsohn.
»Der Prozess war daher auch über Köln hinaus von großer Bedeutung«, beschreibt die Kölner Politikwissenschaftlerin Anne Klein die Motivation hinter der Ausstellung. Hervorgegangen ist sie aus einer Übung, die Klein gemeinsam mit Thomas Horstmann vom Historischen Seminar der Uni Köln im Wintersemester 2004/2005 angeboten hat: »Insgesamt waren 13 Personen, auch aus verschiedenen Kölner Geschichtsinitiativen, länger als ein Jahr mit der Umsetzung beschäftigt«, sagt Klein.
Mitten im Ausstellungsraum steht ein nachgebauter Gerichtssaal, in dem Auszüge aus der Anklageschrift und der Urteilsbegründung nachzulesen sind. Eingerahmt wird er von verschiedenen Schautafeln und Videoinstallationen, die sich mit der spektakulären Vorgeschichte des Prozesses beschäftigen. So scheiterte etwa 1971 die von Serge und Beate Klarsfeld geplante Entführung Lischkas nach Paris. Dieser hatte nach Kriegsende unbehelligt in der Bundesrepublik gelebt, da der so genannte Überleitungsvertrag aus dem Jahr 1955 eine strafrechtliche Verfolgung von in Frankreich in Abwesenheit verurteilten Personen ausschloss. Erst als der Bundestag im September 1974 das deutsch-französische Zusatzabkommen zum Überleitungsvertrag ratifizierte, konnte gegen Lischka ermittelt werden.
Der »Lischka-Prozess«: Drei NS-Täter 1979 in Köln vor Gericht. Die Ausstellung ist bis 16. September 2006 im Kölner NS-Dokumentationszentrum/EL-DE-Haus zu sehen. Weitere Informationen im Netz unter lischka-prozess.de.