Bereits zum sechsten Mal haben Verbraucherschutzorganisationen Ende Oktober Verstöße gegen den Datenschutz mit dem Negativ-Preis »Big Brother Award« ausgezeichnet. Erstmals konnte auch das Publikum auf der Verleihungsgala entscheiden, welchen Missbrauch der persönlichen Daten es als besonders schwerwiegend empfand. Die Wahl fiel auf den Preisträger der Kategorie Verbraucherschutz, den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dieser sammelt in der Datenbank Uniwagnis die Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen durch die KundInnen. Die Datenbank steht jeder angeschlossenen Versicherung zur Verfügung.
Offiziell wollen sich die Versicherer so vor VersicherungsbetrügerInnen schützen. Die VerbraucherschützerInnen gehen allerdings davon aus, dass damit vielmehr so genannte »schlechte Risiken« identifiziert werden sollen, also Versicherte, die mehr kosten als einbringen. Im Bereich des Rechtschutzes ist es beispielsweise Usus, KundInnen, die zwei Schadensfälle innerhalb eines Jahres melden, zu kündigen. Versuchen sie bei einer anderen Gesellschaft erneut, eine Rechtschutzversicherung abzuschließen, ist diese vor den vermeintlichen Prozesshanseln gewarnt. Ein Abschluss ist entweder gar nicht oder nur bei Zahlung von hohen Zuschlägen möglich. Auch ein dreimaliges Anfragen innerhalb von drei Jahren, ob ein Schaden übernommen würde, ist bereits verdächtig und kann zum Eintrag in Uniwagnis führen, unabhängig davon, ob die Versicherung in Anspruch genommen wird oder nicht.
Außerdem monieren die DatenschützerInnen das undurchsichtige Scoring-System des GDV, durch das einfache Versicherte zu verdächtigen KundInnen werden. Im individuellen Score schlägt sich nicht nur die Inanspruchnahme aller abgeschlossenen Versicherungen nieder, er ist auch ansteckend. Wer beispielsweise nach einem selbstverschuldeten Autounfall einen Haftpflichtschaden geltend macht und dadurch mit seinem Score die Stufe des Verdächtigen erreicht, heftet dieses Label auch gleichzeitig allen anderen am Unfall Beteiligten an: dem Unfallgegner, den ZeugInnen am Straßenrand, den GutachterInnen in der Werkstatt. So verwundert es auch nicht, dass die Datenbank derzeit etwa zehn Millionen Einträge enthält.
Doch die Existenz und Handhabung von Uniwagnis ist nicht nur ärgerlich. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands hält sie schlicht für illegal. So seien die Einwilligungserklärungen, mit denen bei Abschluss einer Versicherung der Datenweitergabe zugestimmt wird, wegen schwerer rechtlicher Mängel unwirksam. Und auch die Praxis, alle Datensätze zur Verfügung zu stellen, verstoße gegen geltendes Recht. Da dies ohne den Nachweis eines berechtigten Interesses durch die Versicherer geschieht, handele es sich um eine so genannte Vorratsdatenübermittlung. Und die ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz ausdrücklich verboten.