Es war immerhin keine Volksverhetzung. Darauf konnten sich Staatsanwalt und Verteidiger Ende November im Gerichtssaal einigen. Denn so lautete die ursprüngliche Anklage gegen zwei Kölner Kriegsgegner. Sie hatten bei den Feierlichkeiten zum fünfzigjährigen Bestehen der Bundeswehr ein Transparent mit der Aufschrift »Wir geloben zu rauben, zu morden, zu vergewaltigen« vom Südportal des Kölner Doms herunter gelassen. Die Bundeswehr erstattete daraufhin Anzeige. »Ich bin enttäuscht, dass die Richterin den Sinn der Aktion nicht verstanden hat«, sagt Guido Arnold, einer der Verurteilten. Er muss eine Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs zahlen, sein Mitangeklagter eine Strafe in Höhe von 600 Euro. Eine Verurteilung wegen Volksverhetzung hätte dagegen bis zu fünf Jahre Haft bedeuten können.
Der Grund für die Anklage liegt bereits mehr als ein Jahr zurück. Im September vergangenen Jahres feierte die Bundeswehr auf dem Roncalliplatz am Kölner Dom im großen Stil ihr fünfzigstes Jubiläum. Soldatengottesdienst im Dom, feierliche RekrutInnen-Vereidigung und Zapfenstreich standen auf dem Programm. Bereits im Vorfeld rief die Veranstaltung viel Kritik hervor. Ein Bündnis aus linken und pazifistischen Gruppen protestierte gegen die Feier. Zwei Mitglieder einer christlich-pazifistischen Gruppe gingen sogar - erfolglos - vor Gericht, weil sie durch die Verwendung religiöser Symbole durch die Bundeswehr ihr Grundrecht auf Glaubensfreiheit verletzt sahen.
Trotz allem zogen die Soldaten am 21. September 2005, ausgerechnet dem Weltfriedenstag der Vereinten Nationen, auf den Roncalliplatz. »Fünfzig Jahre Bundeswehr sind kein Grund zum Feiern, sondern fünfzig Jahre zuviel«, sagt Kriegsgegner Arnold. Er und seine MitstreiterInnen kritisieren vor allem die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Aus diesem Grund störten sie die Veranstaltung mit Trillerpfeifen und lautem Gelächter. Während die Rekruten vereidigt wurden, ließen Arnold und sein Mitangeklagter das beanstandete Transparent vom Kölner Dom herab. Nicht nur die Bundeswehr fühlte sich davon gestört. Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zeigte beide wegen Hausfriedensbruchs an.
»Wir geloben zu rauben, zu morden, zu vergewaltigen« war nach Auffassung des Gerichts eine direkte Beleidigung der anwesenden Rekruten. Unsinn, meint Arnold. Sie hätten lediglich auf die Verbrechen des Militärs aufmerksam machen wollen und darauf, in welche moralischen Zwickmühlen der Dienst an der Waffe SoldatInnen bringen könne. »Die Kritik galt der Eidesformel und der Bundeswehr«, sagt auch Verteidiger Detlef Hartmann. Die Verurteilten sind dennoch zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. Hauptsache, die Öffentlichkeit sei auf ihr Anliegen aufmerksam geworden, so Arnold. »Auch im Hinblick auf den G8-Gipfel nächstes Jahr ist es wichtig, das Thema am Brennen zu halten.« Und damit das Feuer nicht ausgeht, haben die FriedensaktivistInnen nun ihrerseits Strafanzeige gestellt: gegen den ehemaligen Generalleutnant Jürgen Schnell, Professor an der Münchener Universität der Bundeswehr - wegen Vorbereitung eines Angriffskriegs.