»Die Frau, die denkt, ist gleich dem Manne, der Rot auflegt - lächerlich.« Das Schild mit Lessings Zitat sticht den BesucherInnen sofort ins Auge, wenn sie den ersten Ausstellungsraum betreten. Es gehört zu einer Sammlung von Schildern, Fotografien und Kleidungsstücken, die mit Sicherheitsnadeln und Schnüren an einem bunten Metallgefährt befestigt sind. Die Exponate sollen die Lebenswirklichkeit der Frauen im 18. und 19. Jahrhundert näher bringen. Die Künstlerin Ulrike Oeter nennt ihr Werk »mobiles Straßenmuseum«, denn es steht nicht nur zur Ansicht im Frauenmuseum. Oeter geht mit dem Wagen, den sie auch als »Gedächtnis auf Rädern« bezeichnet, des Öfteren auf Tour durch die Bonner Innenstadt, um mit PassantInnen ins Gespräch zu kommen.
Neben dieser künstlerischen Hinführung zum Ausstellungsthema bietet die wissenschaftliche Einführung einen kurzen Überblick über den Kampf um das Frauenwahlrecht und über die unterschiedlichen Zielsetzungen der Frauenrechtlerinnen. Die sozialistischen Frauen forderten das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen wie für Männer. Die Verbände bürgerlicher Frauen waren dagegen uneins über die Frage nach allgemeinem oder eingeschränktem Stimmrecht und ob das Privileg des Wählens für Steuerzahlerinnen, für Frauen der Oberschicht oder für gebildete Frauen gelten sollte. Ein wichtiger Schritt zur Vernetzung internationaler Gruppen der bürgerlichen Frauenbewegung fand 1904 bei der internationalen Frauenkonferenz in Berlin statt. Hier wurde der Weltbund für das Frauenstimmrecht gegründet. Die sozialistischen Frauen organisierten sich zunächst in der Fraueninternationalen. Erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs arbeiteten bürgerliche und sozialistische Aktivistinnen in Deutschland zusammen und erkämpften bei der Gründung der Weimarer Republik 1918 das allgemeine Wahlrecht für Frauen.
Der erste Teil der Ausstellung zeichnet die Entwicklung des Frauenwahlrechts in Deutschland nach und porträtiert verschiedene Aktivistinnen anhand ihrer Lebensgeschichten, beispielsweise die in der Revolution 1848 aktive Johanna Kinkel oder die Sozialistin Rosa Luxemburg. Der zweite Teil hingegen stellt die Geschichte der Frauenbewegung in den einzelnen europäischen Ländern dar. Die skandinavischen Länder waren die ersten in Europa, in denen Frauen das allgemeine, gleiche Wahlrecht bekamen. In Finnland können Frauen seit 1906 wählen und gewählt werden. Die meisten mitteleuropäischen Staaten führten das Frauenwahlrecht nach dem Ersten Weltkrieg ein. Als letzte Länder im europäischen Raum etablierten 1971 die Schweiz und 1984 Liechtenstein das Stimmrecht für Frauen. Dem Kampf der militanten Frauenrechtskämpferinnen in Großbritannien, den Suffragetten, widmet die Ausstellung einen eigenen Schwerpunkt.
Das Besondere an der Europa-Sektion ist das Zusammenspiel von historischer und künstlerischer Aufarbeitung des Themas. Jedes Land hat einen eigenen Bereich, in dem auf großen Tafeln die Geschichte der Frauenbewegung dokumentiert ist. Außerdem stellen Künstlerinnen der jeweiligen Länder durch ein Kunstwerk ihre eigene Sicht der Dinge dar. Die Ausstellung präsentiert sich interessant und ungewöhnlich, obwohl sich manche Texte holprig lesen und zuweilen etwas undifferenziert sind. Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. April.