Derzeit kann man in Deutschland den Eindruck bekommen, die Rote Armee Fraktion (RAF) sei noch immer so aktiv wie in den Siebzigerjahren und habe sich nicht vor beinahe zehn Jahren nach langer Inaktivität offiziell aufgelöst. Wegen der Entlassung der Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt und des Gnadengesuchs ihres ehemaligen RAF-Kollegen Christian Klar diskutieren PolitikerInnen wieder über die terroristischen Aktionen der RAF, aber auch über ihre theoretische Legitimation und ihre Anziehungskraft. Ein Beitrag zu diesem Thema stammt von dem Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar. Dieser hat das Buch Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF herausgegeben, in dem drei Texte die von der RAF ausgehende Faszination erklären und die Verbindung zwischen der RAF und der 68er-Bewegung beleuchten sollen. Sein selbstgestecktes Ziel verfehlt das Buch leider. Es ist aber trotzdem unterhaltsam und auch recht informativ. Der selbsternannte RAF- und 68er-Experte Kraushaar versucht in seinem Beitrag darzustellen, wie nah Rudi Dutschke dem bewaffneten Kampf stand. Er zitiert dazu aus Dutschkes Reden und Tagebüchern. Kraushaar interpretiert jedoch eine Eindeutigkeit hinein, die nicht immer vorhanden ist. So gelangt er zu Ergebnissen über Dutschkes Absichten und Ansichten, die nicht ganz einleuchtend sind. Katrin Wieland schlägt in ihrem Beitrag einen anderen Ton an. Ihre Kurzbiografie Andreas Baaders liest sich größtenteils süßlich, vor allem, als Gudrun Ensslin ins Spiel kommt und die Biografie zur Liebesgeschichte wird. Als Rebell à la James Dean mit homoerotischer Ausstrahlung war Baader Wieland zufolge einfach zu sexy für die Studentenbewegung. Deshalb mussten für ihn zwangsläufig irgendwann die Pistole und der Untergrund kommen. Jan Philipp Reemtsma versucht hingegen beinahe psychoanalytisch, die Faszination vieler Menschen für die RAF zu erklären, schafft dies aber nicht zufriedenstellend. Er kommt in erster Linie zu dem Ergebnis, dass das Phänomen RAF als eine Art Lebensstil ohne das Interesse und Verständnis außen stehender Dritter möglich gewesen wäre. Nach Wielands Beitrag fällt es zudem leider schwer, sich auf Reemtsmas trocken-wissenschaftlichen Stil zu konzentrieren.