»Ich hatte den Lauf auf seine blonden Haare gerichtet, ohne den Kopf zu berühren, damit er sich nicht umdrehte und ich ihm nicht in die Augen sehen musste, dann hatte ich abgedrückt.« Die Furcht davor, seinen Opfern in die Augen zu sehen, wird Giorgio Pellegrini, der »Held« von Massimo Carlottos neuem Roman Arrivederci amore, ciao schnell verlieren. Mit dem Mord an seinem Freund und Mitkämpfer Luca im südamerikanischen Guerillacamp verabschiedet Giorgio sich endgültig von Idealen, die er eigentlich nie hatte. In den Siebzigerjahren aus der Spießbürgerlichkeit seines Elternhauses in italienischen und französischen Kaffeehaussozialismus abgetaucht, nach einem missglückten Anschlag zu südamerikanischen Guerilleros geflohen, versucht er nun, sich mit Verrat und Morden den Weg in eine bürgerliche Existenz zu ebnen. Nach der Hinrichtung seines ehemaligen Mitkämpfers nutzt er die erste Gelegenheit, sich von den Guerillatruppen abzusetzen, und schlägt sich zuerst als Gigolo in einem Hotel durch. Dessen Besitzerin, die auch seine Liebhaberin ist, wirft ihn aber hinaus. Damit bleibt ihm nur der Weg zurück nach Europa, wo er noch immer wegen seiner terroristischen Vergangenheit gesucht wird. Um seine Haft zu verkürzen, verrät Pellegrini seine ehemaligen GenossInnen. Aus dem Gefängnis entlassen, hält er sich mit Betrügereien im Nachtclubmilieu über Wasser. Schließlich verschafft er sich mit einem Raubüberfall die finanzielle Grundlage für eine »rechtschaffene« Existenz in gehobenen bürgerlichen Kreisen. Carlotto, selbst ehemaliger linker Aktivist und in den Siebzigerjahren zu Unrecht wegen Mordes verurteilt, lässt in brutaler Offenheit keinen Zweifel an der Schuld seines Protagonisten. Was Giorgio tut, geschieht ausschließlich aus Eigennutz. Eine Entschuldigung für sein Verhalten, die ihn sympathischer wirken lassen könnte, gibt es nicht. Nur kurz gewährt er einen unsentimentalen Rückblick auf die Zeit im Gefängnis, doch auch der wird beiseite geschoben: »Irgend so ein Psycho-Arsch hätte vielleicht gesagt, der Knast hatte mich innerlich aus dem Gleichgewicht gebracht… Aber ich hatte keine Lust, allzu viel darüber nachzugrübeln… Ich war gerne ein Mistkerl.« Auch wenn Pellegrino schließlich zum rehabilitierten Mitglied der gehobenen Gesellschaft wird: Der Mistkerl existiert unter der polierten Fassade weiter.