Die Menschen, die 1952 in Göttingen gegen Veit Harlan, den Regisseur des 1940 uraufgeführten antisemitischen Films Jud Süß demonstrierten, bekamen einiges zu hören. »Brecht den Juden doch die Knochen«, »Wenn es die SS noch geben würde, wäre das nicht passiert«, »Haut sie doch in die Fresse«, »Judenhure« - damit beschimpften der Wochenzeitung Die Zeit zufolge viele PassantInnen die Demonstrierenden.
Harlans Auftragsarbeit für das NS-Propagandaministerium steht im Mittelpunkt des Sammelbandes »Jud Süß«. Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild von Alexandra Przyrembel und Jörg Schönert. Im Buch werden nicht nur die Rezeptionsgeschichte in der NS-Zeit und die »Anti-Harlan-Bewegung« in der Bundesrepublik, sondern auch die Wirkungsmechanismen und filmtheoretischen Aspekte des Films untersucht. So spricht etwa Knut Hickethier in seinem Beitrag »Der audiovisuell inszenierte Antisemitismus« von einem »letztlich emotional ausgerichteten Antisemitismus«.
Im Buch wird zudem deutlich, dass die antisemitischen Zerrbilder um die historische Figur Joseph Süß Oppenheimer unmittelbar nach dessen öffentlicher Hinrichtung im Jahr 1738 entstanden. Als finanzieller Berater, so genannter Hofjude, des württembergischen Herzogs Carl Alexander trat Oppenheimer für die Modernisierung des süddeutschen Staates ein. Hierbei kam es zu zahlreichen Konflikten mit den traditionellen Eliten Württembergs. Diese wiederum setzten nach dem Tod des Herzogs jene Gerichtsverhandlung in Gang, die mit dem Tod Oppenheimers endete. Unmittelbar nach dem Ende des Prozesses wurde aus Joseph Süß Oppenheimer »Jud Süß«. Damit war die Projektionsfläche für das antisemitische Zerrbild gelegt, das zwei Jahrhunderte später in Veit Harlans Film seinen Höhepunkt finden sollte.
Insgesamt ist »Jud Süß« ein lesenswertes Buch, das sich nicht nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der historischen Person Joseph Süß Oppenheimer und Harlans antisemitischem Film beschäftigt, sondern in mehreren Beiträgen auch mit der literarischen Figur »Jud Süß« unter anderem bei Wilhelm Hauff und Lion Feuchtwanger.