Manchmal wird Frederik Peeters von einem weißen Nashorn verfolgt, das sich einfach nicht abschütteln lässt. Dann bekommt er Angst. Aber er lernt jeden Tag mehr, mit dem Nashorn umzugehen und die Angst zu vergessen. Dabei hilft ihm seine Freundin Cati mit ihrem Lebensmut. Und das, obwohl es eigentlich ihre Schuld ist, dass das weiße Nashorn in Frederiks Leben getreten ist. Denn Cati ist HIV-positiv. Der Arzt hat Peeters gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, sich bei Cati anzustecken, für ihn so hoch ist wie die, auf der Straße einem weißen Nashorn zu begegnen. Trotzdem wird das Zusammenleben oft von dem Virus überschattet. Auch Catis kleiner Sohn ist HIV-positiv und muss, ebenso wie seine Mutter, viele Medikamente nehmen.
Vom Alltag zwischen Liebe und Angst, Normalität und Pillenbergen erzählt Frederik Peeters in seinem autobiografischen Comic Blaue Pillen. In Rückblenden berichtet er davon, wie er Cati auf einer Party kennengelernt hat, wie er sich in sie verliebt und wie sie ihm Jahre später gestanden hat, dass sie krank ist. Wie er sich dazu entschlossen hat, trotzdem sein Leben mit ihr und ihrem Sohn zu teilen, auch wenn ihres vielleicht kürzer sein wird als seins und die Ansteckungsgefahr für ihn immer präsent ist. Eigentlich ist Blaue Pillen eine einzige Liebeserklärung an Cati.
Beeindruckend ist vor allem die Stärke, die Cati an den Tag legt und mit der sie ihr Leben meistert. Sie wird als eine trotz aller Rückschläge zwar nachdenkliche, aber nicht verzweifelte junge Frau dargestellt. Zartheit und Verletzlichkeit, aber auch Kampfgeist kann Peeters mit seinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen gelungen ausdrücken. Durch starke Linien, große Augen und sparsame Schraffuren haben die Gesichter im Comic manchmal etwas Totenkopfhaftes, bleiben dabei aber immer sympathisch.
Wie Peeters, seine Freundin und ihr Sohn langsam so etwas wie ein normales Familienleben aufbauen, verlangt Respekt. Denn die Alltagsruhe kann schnell wieder vorbei sein, zum Beispiel durch ein gerissenes Kondom. Blaue Pillen ist kein Aufklärungsbuch, das vor den Gefahren von ungeschütztem Sex warnen will. Trotzdem wird man sich nach dem Lesen zweimal überlegen, ob man es jemals so weit kommen lassen will. Denn wer möchte schon ständig ein weißes Nashorn hinter sich haben?