Der Gemeinschaftsraum des Neubaus in der Jakob-Schupp-Strasse in Neu-Ehrenfeld ist groß und hell, durch die hohe Glasfront ist der Garten hinter dem Haus zu sehen. Viele Personen können an den zahlreichen Holztischen und auf den Sofas zusammensitzen, es gibt einen Beamer mit Leinwand, eine Küchenzeile und einen Schrank mit Büchern und Gesellschaftsspielen. An der Wand hängen Fotos, auf denen Familien und einzelne Personen zu sehen sind. Die Bilder zeigen die BewohnerInnen des Hauses. Junge Familien und ältere Leute leben hier zusammen, insgesamt 36 Erwachsene und 14 Kinder.
Sie wohnen in einzelnen Wohnungen und teilen sich neben dem Gemeinschaftsraum und dem Garten einen Fitness- und einen Hobbyraum. »Wir haben hier eine gute Mischung der Generationen«, sagt Sibylle Terhorst, 48 Jahre alt und im Vorstand des Vereins »Wohnen mit Alt und Jung«, der seit 1994 auf das Wohnprojekt hingearbeitet hat. Vor etwa einem Jahr zogen die heutigen BewohnerInnen schließlich in das Haus in Neu-Ehrenfeld, nachdem sie jahrelang nach einem Wohnplatz gesucht hatten, der ihren Ansprüchen gerecht wird.
Die Menschen im Mehrgenerationen-Haus teilen ein Anliegen: Sie möchten in der Gemeinschaft leben, um der großstädtischen Anonymität etwas entgegen zu setzen. »Viele hier haben in einem Mietshaus die Nähe zu ihren Nachbarn gesucht, aber nur Ablehnung erfahren«, sagt Terhorst. Deshalb suchten sie ein Gemeinschafts-Wohnprojekt und verkauften ihre Eigentumswohnungen und Häuser. »Ein sehr individualisiertes Leben führt letztlich zur sozialen Isolation«, sagt Terhorst. »Hier geht es nicht nur um die eigenen Bedürfnisse, sondern auch die der anderen.«
Im Haus wird auf Nachbarschaftshilfe und Aktivitäten in den Gemeinschaftsräumen viel Wert gelegt. Wenn jemand allein stehend ist, wird er oder sie mitversorgt, man übernimmt Putzdienste und besucht MitbewohnerInnen bei Krankenhausaufenthalten. »Man achtet aufeinander, ohne sich aufzudrängen«, sagt Terhorst. Die Kinder sind der verbindende Bezugspunkt in der Hausgemeinschaft. Terhorst ist selbst allein erziehende Mutter eines 16-jährigen Sohnes. »Wenn es auch Konflikte in der Gemeinschaft gibt, von den Kindern sind alle begeistert«, sagt sie. Für diese sei es selbstverständlich, mit vielen Generationen in einem Haus aufzuwachsen.
Ein anderes Wohnprojekt in Köln hat sich sogar darauf spezialisiert, Studierende und SeniorInnen unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Initiiert von der Gerontologie-Abteilung der Heilpädagogischen Fakultät der Uni Köln und unterstützt von der Seniorenvertretung der Stadt und dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni, vermittelt das Projekt »Wohnen für Hilfe« Studierenden Zimmer bei älteren Menschen, die nicht allein leben möchten und kleine Hilfen im Alltag benötigen. Die Studierenden nehmen ihnen, statt Miete zu zahlen, Arbeiten im Haushalt ab.
Sara Siebert ist Schülerin an einer Kölner Schauspielschule und wohnt seit Anfang des Jahres bei einem älteren Ehepaar in Hürth bei Köln. »In der Schule bin ich auf das Projekt gestoßen«, sagt sie. »Als ich nach Köln gezogen bin, habe ich Wohnungen besichtigt, aber hatte das Projekt immer im Hinterkopf.« Schließlich füllte sie im Projektbüro einen Fragebogen aus. Ein paar Tage später saß sie zum ersten Treffen im Wohnzimmer des Ehepaars, eine Woche später zog sie ein. Dass sie auf dem Fragebogen angegeben hatte, sie sei tierlieb und wolle gern außerhalb Kölns wohnen, passte genau zu den Wohnverhältnissen ihrer VermieterInnen.
Siebert hat im Haus einen abgetrennten eigenen Wohnbereich mit Bad, Flur und einem Zimmer. »Als ich das sah, war ich sehr erstaunt, denn ich hatte nur mit einem eigenen Zimmer in der Wohnung gerechnet«, sagt sie. Dafür, dass sie bei dem Ehepaar wohnen kann, erledigt sie Arbeiten im Haushalt, geht mit dem Hund spazieren, einkaufen und arbeitet im Sommer auch manchmal im Garten. Am Anfang des Monats zahlt Siebert 170 Euro Miete und für jede Arbeitsstunde bekommt sie zehn Euro wieder zurück. »Manchmal arbeite ich mehr als 17 Stunden im Monat, so dass ich gar nichts zahlen muss«, sagt Siebert. Sie und ihre VermieterInnen sehen sich ein- bis zweimal in der Woche, sonst läuft vieles über Briefkontakt. »Ich lege abends einen Zettel hin und schreibe, wie mein Tag war, und bekomme am nächsten Tag einen Brief zurück«, erzählt Siebert. Das Verhältnis sei nach einer eher distanzierten Anfangsphase nun sehr vertraut: »Die beiden laden mich oft zum Essen ein.«
So harmonisch geht es nicht in allen Wohngemeinschaften des Projekts zu. »Es gibt die gleichen Probleme wie in anderen WGs auch«, sagt Sandra Wiegeler, eine der beiden Projektleiterinnen von »Wohnen für Hilfe«. Die Erwartungen seien sehr unterschiedlich und es gebe Bedenken bei beiden Parteien. »Auf Seiten der Studierenden gibt es die Befürchtung, keinen Besuch empfangen zu dürfen und kontrolliert zu werden«, sagt Wiegeler. »Die Senioren befürchten Lärm und dass sie von den Studierenden ausgenutzt werden.« Doch nach einem ersten gemeinsamen Treffen verschwinden viele Ängste. Seit dem Start des Projekts vor zwei Jahren sind vierzig Wohngemeinschaften entstanden, aktuell bestehen etwa 25. Schon 250 Studierende haben sich mittlerweile im Projektbüro informiert und den Fragebogen ausgefüllt. Auf Seiten der SeniorInnen ist das Interesse etwas geringer, bislang haben etwa siebzig ältere Menschen angefragt. »Die Senioren brauchen etwas mehr Zeit, um Entscheidungen zu treffen«, erklärt Wiegeler »Es ist ja auch schwieriger, jemand Fremdes in die Wohnung aufzunehmen, als zu jemandem in die Wohnung zu ziehen.« Die längste bestehende Wohngemeinschaft existiert seit eineinhalb Jahren mit einem Studenten aus Usbekistan.
Sara Siebert möchte noch bis zum Ende ihres Studiums in ihrer Wohnpartnerschaft bleiben. Sie kann sich auch gut vorstellen, später in einem Mehrgenerationenhaus zu leben.