Die StrippenzieherInnen

Die neoliberale Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will in der Bildungspolitik mitmischen. KritikerInnen warnen vor den Methoden der LobbyistInnen. Von Julia Groth

Jung und hipp präsentiert sich das Online-Portal Unicheck, die Redaktion besteht nach eigenen Angaben zum Großteil aus Kölner Studierenden. Studierende sollen hier darüber abstimmen, wie sinnvoll die Studiengebühren an ihrer Hochschule verwendet werden.

Mit Artikeln zur Bildungspolitik erweckt die Homepage den Anschein von ausgewogener, unabhängiger Berichterstattung. Selbst der eine oder andere vermeintlich kritische Artikel findet hier seinen Platz. Eigentlich ein Etikettenschwindel: Zu den BetreiberInnen der Seite gehört neben der Financial Times Deutschland, der Zeitschrift Unicum und dem VerbraucherInnenmagazin Guter Rat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die neoliberale Lobbyorganisation tritt seit vielen Jahren für Studiengebühren ein. Bildungspolitik wird längst nicht mehr nur in Ministerien und universitären Senatssälen von MinisterInnen, ProfessorInnen und einigen wenigen Studierenden gemacht. Die Wirtschaft mischt sich bei der Ausbildung ihrer zukünftigen ManagerInnen mehr und mehr ein. Ein Mittel ihrer Wahl ist dabei die INSM. Die Lobbyorganisation, die seit dem Jahr 2000 öffentlich auftritt, wird von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert und engagiert sich für wirtschaftsliberale politische Reformen. Viele MedienwissenschaftlerInnen kritisieren, dass die INSM ihr nahe stehende Personen als unabhängige ExpertInnen in den Medien auftreten lässt und PR-Beiträge in Zeitungen platziert, um ihre Themen auf die Agenda zu bringen. Auch die Rolle der INSM in der deutschen Bildungspolitik ist umstritten. Der Studierenden-Dachverband Freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften (FZS) kritisiert vor allem das Engagement der INSM für Studiengebühren. »Mit Unicheck versucht die INSM, Studiengebühren zu legitimieren«, sagt FZS-Vorstandsmitglied Imke Buß. Sie bemängelt zudem das Bild, das die Organisation von so genannten Langzeitstudierenden zeichne: BummlerInnen, die ruhig mehr für ihr Studium zahlen sollen. Über zukünftige Vorhaben der INSM sagt Geschäftsführer Dieter Rath, dass man neue BotschafterInnen gewinnen wolle, auch aus bildungspolitischen Kreisen. BotschafterInnen der INSM sind Personen, die sich mit den Positionen der Organisation identifizieren und sie in öffentlichen Diskussionen platzieren. Zu ihnen gehören zum Beispiel der Rektor der Uni Mannheim Hans-Wolfgang Arndt und der emeritierte Kölner Wirtschaftspolitik-Professor Juergen Donges. Derzeit habe man ein bis zwei weitere Bildungsexperten im Auge, die als Botschafter in Frage kämen, so Rath. »Wir möchten mehr junge Leute und Frauen als Botschafter gewinnen«, sagt er außerdem. Das Konzept der BotschafterInnen stößt INSM-KritikerInnen oft sauer auf. RektorInnen und ProfessorInnen, die sich bewusst für die Ziele der INSM und ihrer AuftraggeberInnen engagieren, verspielen die Unabhängigkeit der Bildung, so die Kritik. »Viele Rektoren sehen sich mehr als Manager denn als Uni-Angehörige«, sagt der Kölner Politikwissenschaftsprofessor Christoph Butterwegge, der sich in seinem Buch Kritik des Neoliberalismus unter anderem mit diesem Thema beschäftigt hat. Das Vorgehen der INSM auf dem Bildungssektor beunruhigt ihn nicht nur, wenn es sich auf die Hochschulbildung konzentriert, sondern bereits eine Stufe früher. Denn für LehrerInnen hält die Organisation Materialien für den Politikunterricht bereit, während die Regierung im Bereich der politischen Bildung spart. »Auf diese Art werden Bildung und Wissenschaft privaten Unternehmen ausgeliefert und immer mehr zur Ware«, warnt Butterwegge.