Früher hat sie über Penisverletzungen bei der Masturbation mit Staubsaugern referiert, jetzt ist Charlotte Roche abermals zum Aufklärungsfeldzug aufgebrochen. Als Feministin, Hämorrhoiden-Expertin und Fachfrau der feuchten Körperareale widmet sie sich diesmal ganz dem weiblichen Körper - besonders seinen Öffnungen und Absonderungen. Der schonungslose Körper-Erforschungsdrang ihrer Heldin mutet zart besaiteten LeserInnen dabei einiges zu.
Die 18-jährige Helen liegt im Krankenhaus, wo sie nach einer missglückten Rasur an intimer Stelle operiert werden muss. Die Zeit des Alleinseins im Krankenzimmer und ihre Operationswunde am After lassen Helens Gedanken um die wichtigen Themen in ihrem Leben kreisen: Sex und Unhygiene. Wer zu den Menschen zählt, die Helen »bakterienabergläubische Hygieniker« nennt, braucht bei der Lektüre starke Nerven. Detailliert schildert sie, wie sie verdreckte Klobrillen mit dem körpereigenen Schamlippenschwamm reinigt, wertvolle Drogen-Kotze schlürft und Körperausscheidungen aller Art verspeist. Ihre Mission: Hygiene boykottieren, Bakterien verteilen, Schleim, Schmutz und Spucke unter die Leute bringen.
Es gibt für Helen aber auch ein Leben jenseits von Orgasmen und Ohrenschmalz, und das ist aus weitaus klassischerem Erzählstoff gestrickt. Sie ist ein Scheidungskind, das unter dem kollektiven Schweigen seiner zerbrochenen Familie leidet. Vor ihrem inneren Auge spielen sich alptraumhafte Szenen ab, die von einer düster überschatteten Vergangenheit zeugen. Verzweifelt versucht sie, ihre Eltern am Krankenbett zu versöhnen, und geht dabei bis zur Selbstverletzung. Als auch der radikalste Versuch scheitert, bricht Helen das Schweigen.
Wer sich von dem Angriff auf das gepflegte »Untenrum« nicht schocken lässt, entdeckt in Feuchtgebiete eine unerwartete Sensibilität. Helens aufmüpfige Ekel-Aktionen geben ihr etwas, womit sie sich identifizieren und abgrenzen kann: Hygiene hasst sie ebenso sehr, wie sie ihre auf Sauberkeit versessene Mutter hasst. Mit ihrem reizvollen, aber lieblosen Sexhobby versucht Helen, sich über ihre innere Einsamkeit hinwegzutäuschen. So gerät die Provokation in den Hintergrund, und die vermeintliche Schamlosigkeit und Radikalität der Protagonistin erscheinen natürlich, fast banal im Lichte durchschnittlicher Alltags-Tragik.