Als am 19. März 2008 das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung stark einschränkte, waren die GegnerInnen des Gesetzes ausgesprochen uneinig über die Bewertung des Urteils. Während das DatenschützerInnenbündnis Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Entscheidung feierte und den Rücktritt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries forderte, zeigten sich andere Gruppierungen wie die Piratenpartei eher skeptisch. Das Bundesverfassungsgericht hatte nämlich nichts weiter getan, als die Hürden für die Auswertung der auf Vorrat gespeicherten Verbindungsdaten zu erhöhen. Nur bei schweren Straftaten seien die Daten zu übermitteln, in anderen Fällen sei davon abzusehen. An der grundsätzlichen Verfügbarkeit der Daten ändert die einstweilige Anordnung aber nichts.
Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, das am 9. November 2007 verabschiedet wurde, verpflichtet die AnbieterInnen von Telekommunikations-Diensten wie E-Mail oder Telefon zur Speicherung von Verbindungs- und Stammdaten wie Name, Anschrift, Mail-Adresse, Telefonnummern und Zugriffen auf Mailkonten, Versende- und Empfangsdaten. Diese Daten müssen dann Ermittlungsbehörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Die Krux der Neuregelung ist aber gerade die Speicherung der Daten. Alle bisherigen Erfahrungen lehren: Wo Daten gesammelt werden, werden diese auch genutzt. Zudem wird die Verantwortung der Herausgabe der Daten auf die Dienste-AnbieterInnen abgewälzt. Dass diese nicht sonderlich verantwortlich mit angesammelten Daten umgehen, zeigt der Fall angeblicher massenhafter Kinderpornografie Ende letzten Jahres. Ein großer, in Berlin ansässiger Internet-Dienstleister hatte eigenständig die Ermittlungsbehörden über verdächtigen Datenverkehr informiert. Daraufhin startete die Staatsanwaltschaft Berlin die größte Ermittlungsaktion in diesem Bereich in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Zuge der Operation »Himmel« wurde gegen mehr als 12000 Verdächtige ermittelt. Nahezu alle Verfahren wurden eingestellt. Welche Auswirkungen solche Ermittlungen für das private und berufliche Umfeld eines Verdächtigen trotzdem haben können, muss wohl kaum ausgeführt werden.
Das Gerichtsurteil war das vorläufige Ende einer Kampagne der GegnerInnen, die sich vor allem auf die irrige Ansicht stützte, das Verfassungsgericht sei so etwas wie die letzte liberale Bastion. Zwar ist es so, dass Karlsruhe in der Vergangenheit übermäßig invasive Sicherheitsgesetze entschärfte. Den grundsätzlichen Trend kehrte es aber nicht um. Zur simplen Einsicht, dass die Rechtsprechung der exekutiven Linie tendenziell folgt, konnten sich die Bürgerrechtsbewegten nicht durchringen. Damit bleibt auch die Frage unbeantwortet, wie eine Trendwende zu schaffen wäre: Wenn weniger Daten gesammelt werden, können auch weniger Daten ausgewertet werden. Alles andere sind Pyrrhussiege.