Seit mehr als zehn Jahren dokumentiert die Kölner Künstlerin Karin Richert politische Graffiti mit ihrer Kamera. Seit einigen Jahren fotografiert die 57-Jährige darüber hinaus Neonazis auf Demonstrationen. Für die philtrat erzählt sie Julia Groth, wie sich die Kölner Graffiti-Landschaft mit den Jahren verändert hat und warum Neonazis keine Schwierigkeiten machen, wenn man sie fotografiert.
Frau Richert, Sie wollen nicht, dass neben dem Interview ein Foto von Ihnen ist. Warum nicht?
Ich lasse mich ungern fotografieren. Nicht erst, seit ich politische Arbeiten ausstelle, sondern das war früher auch schon so.
Es hat also nichts damit zu tun, dass Sie beim Fotografieren von Neonazis schon einmal Schwierigkeiten bekommen hätten und jetzt Angst haben?
Nein, ich hatte noch nie Schwierigkeiten. Seit einem halben Jahr fahre ich jetzt zu Nazi-Demos in Nordrhein-Westfalen. Bisher bin ich beim Fotografieren nicht angemacht worden. Es ist ja immer Polizei dabei. Und die Rechten versuchen immer, nach außen hin ein sehr ziviles Bild abzugeben. Sie wollen ja auch als die Guten gelten.
Kölner Neonazi-Demos fotografieren Sie schon länger. Glauben Sie, dass Köln ein Problem mit Neonazis hat?
Köln hat auf jeden Fall auch ein rechtsextremistisches Problem. Übergriffe kommen hier nicht so gehäuft vor, aber es gibt eine rechtsextremistische Bürgerbewegung. Diese Rechtsextremisten haben ein sehr biederes Aussehen, unterscheiden sich aber in ihrer Denkweise nicht von den Nazis mit Glatze. Das gleiche Verhalten finden wir auch bei den jugendlichen rechtsextremistischen Gruppen. Das Äußere ist nicht mehr ihrer politischen Gesinnung zuzuordnen. Man sieht keinem mehr den Nazi an. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Deshalb habe ich bei meiner letzten Ausstellung im letzten Dezember im Kulturbunker in Mühlheim Fotos von Glatzen Fotos von Pro-Köln-Leuten gegenüber gestellt.
Wurden Sie zu einer bestimmten Zeit politisiert?
Ich habe mich schon früh mit Politik beschäftigt, was aber nicht unbedingt von Anfang an auch in meiner Kunst rauskam. Ich gehöre zur 68er-Generation, wir hatten ein anderes politisches Bewusstsein als viele Leute heute. Ich habe mich auch früh mit dem Dritten Reich auseinandergesetzt. So lief es zwangsläufig darauf hinaus, dass ich mich auch mit den heutigen Zuständen in Bezug auf Rechtsradikalismus beschäftigt habe.
Haben sich die Graffiti, die Sie in der Stadt fotografieren, im Laufe der Jahre verändert?
Die Grafitti sind weniger geworden. Dafür gibt es immer mehr Duftmarken, wie ich es nenne. Tags, die für mich aber keinen Sinn machen. Für mich müssen, egal ob in Schrift oder in Bild, Inhalte transportiert werden. Und solche Graffiti gibt es mittlerweile viel weniger.