Plattenbauten, Neonazis, verschnarchte Provinznester und unverständliche Dialekte: Der Osten Deutschlands hat fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ein schweres Imageproblem. Entsprechend unbeliebt sind auch die dortigen Universitäten. Ein Viertel der ostdeutschen AbiturientInnen zieht es zum Studieren in den Westen, aber nur vier Prozent der westdeutschen SchulabgängerInnen schreiben sich an ostdeutschen Hochschulen ein. »Die Wahrnehmung von ostdeutschen Studienorten im Westen ist desaströs«, zog Gerhard Wünsche vom Kultusministerium Sachsen-Anhalt gegenüber Spiegel Online Bilanz. Um mehr Studierende in den Osten zu holen, haben sich die Hochschulen dort nun großangelegte Werbekampagnen überlegt. Der so genannte Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern sieht vor, zwischen 2007 und 2010 insgesamt mehr als eine Milliarde Euro an die Hochschulen zu verteilen. So sollen neue Studienplätze entstehen. Die neuen Bundesländer haben im Hochschulpakt zugesichert, ihre Studierendenzahlen nicht unter den Stand von 2005 fallen zu lassen, sonst müssen sie das Geld an den Bund zurückzahlen. Offenbar eine schwierige Aufgabe für die Hochschulen, und schuld daran ist nicht nur das schlechte Image im Westen. Weil in der Nachwendezeit wenige Kinder zur Welt kamen, leidet die Region derzeit ohnehin unter Nachwuchsmangel. Für ihre Werbekampagnen wenden die Ost-Hochschulen beträchtliche Summen auf. So fließt in Thüringen ein Drittel der vom Bund zugewiesenen 14,9 Millionen Euro in die Imagewerbung. Brandenburg finanziert mit den Geldern Bierdeckel, die in westdeutschen Kneipen verteilt werden und ein Studium in Brandenburg anpreisen. An Berliner Bahnhöfen wurden riesige Werbeplakate aufgestellt, und die Rostocker Universität finanzierte mit einer fünfstelligen Summe einen Kino-Werbespot. Sachsen will sogar eine Roadshow durch besonders dicht bevölkerte West-Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Bayern organisieren und so ErstsemesterInnen anlocken. An den Hochschulen selbst gibt es zum Teil ein Begrüßungsgeld in Höhe von etwa hundert Euro, Ermäßigungen für kulturelle Veranstaltungen und eine persönliche Betreuung für alle Studierenden inklusive Wohnungssuche und Abholservice. Dabei stehen viele ostdeutsche Unis zumindest rein äußerlich besser da als so manche Hochschule im Westen. Viele traditionsreiche Bauwerke wie das Hauptgebäude der Uni Rostock im Neorenaissance-Stil haben den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt überstanden und wurden nach der Wende aufs Neue saniert. In mehreren Universitätsstädten entstanden nach dem Mauerfall neue, moderne Bauten für die Studierenden. Auch die Zulassungsbeschränkungen sind oft niedriger als an West-Unis. Das schlagkräftigste Argument ist jedoch das der Studiengebühren. Die meisten ostdeutschen Hochschulen verlangen gar keine oder nur geringe Gebühren. Die Bemühungen scheinen allmählich zu fruchten. Viele Hochschulen in Ostdeutschland verzeichnen steigende Studierendenzahlen. Das Centrum für Hochschulentwicklung, eine Einrichtung der Bertelsmann-Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz, schätzt, dass das Interesse an den Studienplätzen im Osten weiter wachsen wird, weil viele geburtenstarke Jahrgänge im Westen Abitur demnächst machen - Hörsaalüberfüllung ist da vorprogrammiert.
Roadshow für Ost-Unis
Ostdeutsche Unis starten teure Werbekampagnen, um ihr Image bei Studierenden aus dem Westen aufzubessern.
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